SPÖ-Maiaufmarsch: Dieses Jahr Palmwedel statt Pfiffen

Der Parteichef rechnete nicht mit einem Palmwedelempfang. Die Ottakringer Genossen nahmen ihn beim Wort.
Der Parteichef rechnete nicht mit einem Palmwedelempfang. Die Ottakringer Genossen nahmen ihn beim Wort.(c) Alex Halada / picturedesk.com
  • Drucken

Die Jugend blieb kritisch. Ansonsten fiel die Premiere von SPÖ-Chef Christian Kern relativ freundlich aus. Er rief die zerstrittenen Genossen zu Geschlossenheit auf.

Wien. Am Ende winkte Christian Kern auf der Bühne vor dem Rathaus mit einem grünen Büschel statt mit dem üblichen roten Tüchlein: Das hatten ihm die Genossen aus Ottakring mitgebracht, nachdem der Parteichef wenige Tage zuvor gemeint hatte, dass er mit einem Palmwedelempfang bei seinem ersten 1. Mai eher nicht rechne. Mit roten Luftballons und zahlreichen Musikkapellen, mit den sozialdemokratischen Motorradfahrern, Rauchfangkehrern und durchaus auch mit Applaus ließ sich der erste Maiaufmarsch für Christian Kern jedenfalls um einiges freundlicher an als der letzte seines Vorgängers Werner Faymann, der seine Rede voriges Jahr nur unter Pfiffen und Buhrufen der Parteibasis zu Ende brachte.

Unter den allerbesten Vorzeichen stand der traditionelle sozialdemokratische Feiertag nach dem desaströsen Ergebnis für die Wiener Parteiführung um Bürgermeister Michael Häupl (siehe auch Seite 7) aber auch dieses Mal nicht. Weshalb Kern, der den vorigen Maiaufmarsch noch als ÖBB-Chef und sozusagen einfacher Genosse begangen hatte, die zehntausenden Menschen von dem mit sozialdemokratischer Prominenz besetzten Podium aus zur Einigkeit aufrief.

„Wir dürfen niemals vergessen, der wahre politische Gegner ist nicht in unseren Reihen zu suchen“, sagte der Parteichef, akkurat zu dem Zeitpunkt, als sich die Sonne endlich vor dem Rathaus blicken ließ. (Was der Moderator – erstmals Alfons Haider – bereits zuvor kommentiert hatte: Der Himmel sei das einzige, was in dieser Stadt blau werden solle.) Es sei eine Frage des Respekts dass sich die Partei nicht mit sich selbst beschäftige, sagte denn der SPÖ-Chef, sondern mit den Sorgen und Nöten derer, die sie zu vertreten habe. Die Partei habe Krisen immer gemeistert, wenn sie zusammengestanden sei. „Das ist das, was ihr euch von uns erwarten dürft. Und das ist auch das, was ich mir erwarte.“

„Kein Gott, kein Kanzler, kein Plan A“

Die jungen parteiinternen Kritiker, die mit ihren Plakaten („Rote Schale, schwarzer Kern“) und den 23 Bezirksparteien im Sternmarsch sukzessive vor dem Rathaus eintrafen, lud er ins Kanzleramt ein. Er diskutiere mit ihnen gerne über den wahren Kern seiner Politik. Nachsatz: „Bei uns wird keiner ausgeschlossen, auch keine freche Jugendorganisation. Sonst wäre ich heute auch nicht mehr da.“ Die Parteijugend – die auch am Samstag bereits mit Plakaten aufgefallen war – kritisierte ihn vor allem für seinen Plan A und unter anderem mit einer Persiflage auf die „Internationale“: „Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kanzler, kein Plan A“. Zuvor hatten die roten Studierenden vor der Uni die Feuerwehr „mit einem herzlichen Freundschaft“ bedacht. Und Kern, der Seite an Seite mit Vizebürgermeisterin und Feuerwehrstadträtin Renate Brauner mit den 350 Feuerwehrleuten mitmarschierte, wegen seiner Position zum Uni-Zugang nicht begrüßt.

Womöglich meinte er auch dieses Thema, als er auf dem Rathausplatz seinen Weg in die Zukunft skizzierte. Man befinde sich in einer Zeit der Umbrüche – von Globalisierung über Technologie bis zu Migration und Flucht. Die Sozialdemokratie dürfe nicht auf der Stelle stehen bleiben, sondern müsse sich an die Spitze der Veränderung stellen und dafür sorgen, dass niemand unter die Räder komme. „Es geht mir nicht darum, unsere Dogmen zu bewahren, sondern darum, unsere Werte in die Zukunft zu bringen“, so Kern. „Wenn wir relevant bleiben wollen, das Leben der Menschen berühren wollen, werden wir nach vorne denken müssen.“

Einigen Applaus holte sich Kern in seiner zwanzigminütigen Rede – während der einzelne Störer Plakate wie „SPÖ = Islampartei“ hochhielten und einige Personen von der Polizei aus dem Publikum gefischt wurden – für konkrete inhaltliche Punkte ab. Etwa für Maßnahmen gegen Steuervermeider („Jede Würstelbude liefert brav ihre Steuern ab, während die größten Konzerne der Welt ihre Beiträge nicht leisten“), für das Versprechen, 20.000 Jobs für ältere Arbeitslose zu schaffen, einen höheren Mindestlohn und den Kampf gegen den „rechten Mief“, „der aus allen Löchern kriecht“, was der starke Anstieg rechtsextremer Straftaten zeige. Die roten Lehrer dagegen forderten, dass die Bildungsreform zurück an den Absender gehen müsse.

Absage für vorgezogene Neuwahlen

Wiens Bürgermeister Häupl sprach sich zwar gegen Uni-Zugangsbeschränkungen aus – er versicherte Kern aber seine Unterstützung: „Deine Erwartungshaltungen versuchen wir in der Wiener SPÖ so gut als möglich zu erfüllen.“ Generell wirkte er am Tag nach seiner Niederlage etwas ernüchtert. Auch wenn manche ihm noch Ermunterndes zuriefen („Michl, du bist der beste Burgamaster!“) hörte man wenige Meter entfernt auch ein gemurmeltes „77 Prozent reichen nicht“.

Sein schlechtes Ergebnis sprach er nicht an – vor ihm hatte Vizebürgermeisterin Renate Brauner zumindest angemerkt, dass man manche Diskussionen nicht öffentlich, oder gar nicht, führen hätte müssen. Häupl versuchte dagegen, die Partei auf den Gegner einzuschwören. Er prophezeite Österreich harte Wahlauseinandersetzungen, für die sich die SPÖ klar positionieren müsse. Wenn man verhindern wolle, dass der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Kanzler werde, „muss man sagen, was die Alternative ist“.

Er werde den Schlüssel zum Kanzleramt nicht der FPÖ überlassen, sagte dazu SPÖ-Chef Kern auf der Bühne, die unter anderem mit Nationalratspräsidentin Doris Bures, Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner und den Wiener Stadträten Michael Ludwig und Jürgen Czernohorszky besetzt war. Vorgezogenen Neuwahlen erteilte Kern einmal mehr eine Absage. „Die Arbeit in der Bundesregierung ist nicht immer ein Wellnessaufenthalt für alle“, meinte er. Aber er wolle die nächsten 18 Monate nutzen. Frühere Nationalratswahlen würden keine Probleme lösen. Die Interessen Österreichs stünden vor jeder Parteitaktik. „Wir werden dem falschen Ehrgeiz mancher nicht nachgeben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

1. Mai-Kundgebung der FPÖ in Linz: Strache / Haimbuchner
Innenpolitik

FPÖ wettert gegen "Faymann mit Sonnenbrille"

Die Freiheitlichen demonstrieren in Linz Einigkeit. Die ÖVP besucht Menschen, die am 1. Mai arbeiten. Und die Grünen fordern einen Mindestlohn, der Frauen aus der Armutsfalle befreit.
Leitartikel

1. Mai 2017: Auf zum letzten Gefecht

Hat die Sozialdemokratie ihre beste Zeit hinter sich? Das sicher. Hat sie noch Zukunft? Christian Kern jedenfalls hat die Zeichen der Zeit einmal erkannt.
Bürgermeister Michael Häupl
Wien

Die Leiden der Genossen im Siebzehnten

In der Vorstadt. Die Nachwehen der Streichorgie beim Wiener SPÖ-Landesparteitag waren beim Maiaufmarsch auch an der roten Basis zu spüren.
Die schlechten Ergebnisse für Michael Häupl bedeuten nichts Gutes für Kanzler Chrisitan Kern
Innenpolitik

Politologen sehen schwarz für den roten Parteichef

Die Spaltung der Wiener SPÖ unter Bürgermeister Michael Häupl ist das schlechteste, was Parteichef Christian Kern passieren konnte. Jetzt gilt ausgerechnet Niederösterreich als einziger Hoffnungsschimmer der Roten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.