Van der Bellen: „Nationalismus löst keine Probleme“

GEDENK- UND BEFREIUNGSFEIER DES MAUTHAUSEN KOMITEES �STERREICH MIT DEM THEMA ´INTERNATIONALIT�T VERBINDET´
GEDENK- UND BEFREIUNGSFEIER DES MAUTHAUSEN KOMITEES �STERREICH MIT DEM THEMA ´INTERNATIONALIT�T VERBINDET´(c) APA/BKA/ANDY WENZEL
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7000 Gäste gedachten der Befreiung. Die Gedenkstätte ist seit Jahresbeginn aus dem Innenministerium ausgegliedert. Neue Schwerpunkte sollen Signale an die Jugend sein.

Mauthausen/Wien. Die Spitzen der Republik haben am Sonntag anlässlich des Gedenkens an die Befreiung der Häftlinge aus dem Konzentrationslager Mauthausen im Mai 1945 dem Nationalismus eine Absage erteilt und Werte wie Solidarität und Toleranz eingemahnt. „Wir müssen an einer Welt arbeiten, in der Menschenrechte, Freiheit und Respekt gewährleistet sind“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Mit Nationalismus, mit der Verletzung der Würde des Menschen, mit der Ablehnung gegenüber allem Fremden löst man kein einziges Problem.“

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) betonte, „Gedenken ist uns Verpflichtung und Auftrag“, Nationalismus, Chauvinismus und Rassismus, „die auch heute wieder ihre hässlichen Fratzen zeigen, müssen wir mit unseren stärksten Waffen entgegentreten“, so Kern: „Solidarität, Toleranz und Zivilcourage.“ In Summe haben am Sonntag rund 7000 Menschen aus aller Welt der Befreiung vor 72 Jahren gedacht. Die Veranstaltung, die europaweit größte ihrer Art, stand heuer unter dem Motto „Internationalität verbindet“.

Am Rande der Gedenkfeiern gab es auch einige Unstimmigkeiten um das Nebenlager Gusen. In diesem Lager sind besonders viele Polen ums Leben gekommen. Die Regierung in Warschau wirft Österreich vor, sich zu wenig für die Gedenken an polnische Opfer einzusetzen. Die polnische Regierung und Opferverbände wollen jetzt selbst mehr tun. Was von anderen Nationen nicht immer goutiert wird, die Sorge haben, von Warschau vereinnahmt zu werden.

Neue Struktur in Mauthausen

Barbara Glück, seit Jänner Leiterin der Gedenkstätte Mauthausen, meint dazu: „Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass sich einzelne Nationen besonders engagieren.“ Es müsse aber auch die „Pluralität des Ganzen erhalten bleiben“.

Die Gedenkfeiern sind heuer auch eine Premiere. Seit Jänner ist die Gedenkstätte nämlich aus dem Innenministerium ausgegliedert und hat eine neue organisatorische Struktur. Mauthausen ist nunmehr eine Institution in Bundesbesitz, jedoch unabhängig, mit eigenen Entscheidungsgremien – und einer neuen Leiterin. „Ich bin zufrieden und dankbar, dass das Gesetz in der Form beschlossen wurde – und das mit sehr breiter Mehrheit“, sagt Glück „zur Presse“. Denn im Vorjahr gab es einigen Widerstand gegen die Ausgliederung.

Was wird sich in Hinkunft ändern? Für Glück ist unter anderem wichtig, dass in dem Gesetz die permanente Verantwortung der Regierung ausdrücklich festgelegt ist. Die starke gemeinsame politische Präsenz an diesem Wochenende sieht sie als Beweis dafür, dass die Republik sich ihrer moralischen Verantwortung in Bezug auf die NS-Zeit tatsächlich bewusst ist.

Kritik gab es im Vorjahr an der Zusammensetzung des Kuratoriums und des Beirats. Glück beruhigt: Das Kuratorium sei heute breit besetzt aus Vertretern verschiedener Ministerien und durch verschiedene Experten. Und der Beirat sei auch international besetzt, alle anerkannten Opfergruppen seien vertreten. „Derzeit sind das 20 Nationen.“

„Was hat das mit mir zu tun?“

Glück hat jedenfalls einige neue Konzepte im Auge. Vor allem, was die Arbeit mit Schülern und Jugendlichen betrifft. „Wir wollen uns mehr in der Gegenwart verankern und die Brücken zur Gegenwart deutlicher herausheben.“ Das heißt, die Themen Zivilcourage, Menschenrechte, Ausgrenzung etc. sollen mehr angesprochen und in Verbindung zum Heute gesetzt werden. Der Diskurs soll gefördert, Schwerpunkt auf Workshops und Diskussionen gesetzt werden.

Das neue pädagogische Konzept steht übrigens unter dem Motto „Was hat das mit mir zu tun?“. Glück sagt, das Bedürfnis bei Jugendlichen, über die schrecklichen Ereignisse in den Konzentrationslagern zu reden, sei groß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2017)

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