Mitterlehner: „Es ist genug“

Reinhold Mitterlehner am Mittwoch um 12.30 Uhr in der ÖVP-Zentrale, als er in einer „persönlichen Erklärung“ den Rücktritt bekannt gibt.
Reinhold Mitterlehner am Mittwoch um 12.30 Uhr in der ÖVP-Zentrale, als er in einer „persönlichen Erklärung“ den Rücktritt bekannt gibt.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner teilt in seiner Abschiedsrede noch einmal aus – gegen den ORF, den Koalitionspartner, vor allem aber gegen seine eigene Partei. Am Montag legt er seine Ämter als Vizekanzler und Minister zurück.

Ein Mundwinkel ist nach oben gezogen, die Sprache hölzern, der Ton ironisch. Das ist Reinhold Mitterlehner im entspannten Zustand. So sah man den ÖVP-Chef und Vizekanzler zuletzt allerdings nur noch selten: Oft musste er betonen, dass er – und zwar nur er – der Obmann ist. Oft musste er sich anhören, dass Sebastian Kurz der nächste Obmann sein soll. Zu oft, wie der Mittwoch nun gezeigt hat. Denn Mitterlehner reicht es – oder um es in seinen Worten zu sagen: „Ich finde, es ist genug.“

Bei seinem letzten großen Auftritt sieht man ihn aber wieder, den entspannteren Mitterlehner. Jetzt muss er sich nicht mehr zurücknehmen. Jetzt kann er vieles offen sagen. Seine Rede ist eine Retourkutsche gegen alle, die ihn in den vergangenen Wochen und Monaten frustriert haben: Die Medien (zum Teil), der Koalitionspartner (mit Ausnahmen), aber vor allem seine eigene Partei. Das zeigt auch die Tatsache, dass nur die wenigsten von seinen Plänen wussten. Von dem Termin erfuhren selbst Spitzen-ÖVP-Politiker erst sozusagen in letzter Minute.

Mitterlehner weiß also, dass auch seine Gegner zusehen, und nicht nur die – der ORF überträgt seinen Auftritt live: „Ich kann heute die Möglichkeit nutzen, einfach alles in Richtung Seherinnen und Seher zu bringen. Und ich tu das auch“, sagt der Noch-Vizekanzler. In den vergangenen Tagen habe er intensiv über seine Entscheidung, sämtliche Ämter zurückzulegen, nachgedacht. Ihm war es wichtig, dass er „sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt von allen Schritten selber definiere“.

Dann holt er aus, um die Gründe – bzw. die Verantwortlichen – für den Rückzug zu nennen. Einer der wichtigsten davon: „Ich bin kein Platzhalter, der auf Abruf, bis irgendjemand – Zeitpunkt Struktur oder Konditionen festlegt, und dem die passen – hier irgendwo agiert.“ Und: „Wir brauchen keine Doppelfunktion oder verdeckte Strukturen.“ Den Namen Sebastian Kurz nennt er nicht.

Er nennt aber auch nicht Wolfgang Sobotka, zumindest nicht direkt: der Innenminister hatte mit ständigen Querschüssen den Koalitionspartner und den eigenen Parteichef provoziert. Mitterlehner richtet ihm folgendes aus: „Es ist meiner Meinung nach unmöglich, in einer derartigen Konstellation einerseits Regierungsarbeit zu leisten und gleichzeitig die eigene Opposition zu sein.“ Ihm sei – hier spricht wieder die Ironie – Tradition wichtig, deswegen trete er wie viele ÖVP-Chefs vor ihm zurück: „Es kann ein qualitatives Problem sein der jeweiligen Führungskräfte, könnte aber auch ein strukturelles Problem sein oder auch die Notwendigkeit unser Erscheinungsbild zu überdenken.“ Seiner Partei – aber auch der SPÖ – gibt er dann noch einen Tipp, nämlich „vielleicht Regierungsarbeit zu trennen von Parteiarbeit und damit das Image der Regierungsarbeit zu heben“. Nachsatz: „Könnte vielleicht eine wertvolle Anregung sein, muss es aber nicht.“ Er sei ein Mann der Mitte. In der jetzigen Situation habe das aber keinen Sinn.

Dann kritisiert Mitterlehner noch die Berichterstattung, vor allem die des ORF: ZIB2-Moderator Armin Wolf hatte einen Beitrag mit „Django, die Totengräber warten schon“ angekündigt. In „einem öffentlichen Medium“ sei das „fehl am Platz“. Am Nachmittag entschuldigten sich Chefredakteur Fritz Dittlbacher und Wolf dafür. Zum Schluss gab es auch Dank: Allen voran seinen Mitarbeitern, die ihm die Treue gehalten haben („ich hoffe, das schadet ihnen nicht), aber auch Kanzler Christian Kern und der Opposition.

Dann verabschiedet er sich: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer.“ Der Mundwinkel nach oben, der Ton ein wenig ironisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2017)

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