Vorgezogene Neuwahlen: Wann SPÖ und ÖVP das Handtuch warfen

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AUT 2016 02 28 THEMENBILD FEATURE GEMEINDERATS UND BUERGERMEISTERWAHLEN 2016 IN TIROL WAHLLOKALimago/Roland Mühlanger
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Seit Mitte der 1990er-Jahre folgte auf eine voll genützte Legislaturperiode eine vorzeitige Wahl. Am schnellsten wurde im Jahr 1995 die Zusammenarbeit aufgekündigt.

Außenminister Sebastian Kurz, der mit der Obmannschaft in der Volkspartei liebäugelt, hat sich für vorgezogene Nationalratswahlen ausgesprochen. Sollte er bzw. sollte die ÖVP die Koalition tatsächlich platzen lassen, würde das - seit Mitte der 1990er-Jahre zu beobachtende - Gesetz der Serie erfüllt: Auf eine voll genützte Legislaturperiode folgt eine vorzeitige Wahl.

Mit einer Wahl im Frühherbst hätte die Regierung vier von fünf Jahren durchgehalten - mit Mühe und Not, knirschte es doch fast vom Start weg ständig im Koalitions-Gebälk. Das war jedoch nicht neu: Schon in der rot-schwarzen Regierung Faymann/Pröll bzw. Faymann/Spindelegger standen Konflikte, Neustarts und Neuwahlgerüchte auf der Agenda. Dennoch wurde die erste fünfjährige Legislaturperiode von 2008 bis 2013 zu 100 Prozent durchgedient. Heuer dürfte es nur für die alte Länge von vier Jahren reichen.

Neue Vize-/Kanzler

In diesen vier Jahren wurde häufig Personal ausgetauscht, bis ganz nach oben: Im Dezember 2013 startete Rot-Schwarz unter Führung von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger, im September 2014 bekam Faymann einen neuen Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner - und dann Mitterlehner im Mai 2016 einen neuen Kanzler, Christian Kern. Jetzt ging Mitterlehner. Folgt ihm Sebastian Kurz nach, wird das Spiel wohl beendet und im Herbst gewählt.

Kommt es dazu, wird die Gesetzgebungsperiode zu 80 Prozent erfüllt. Das ist immerhin beinah die höchste Durchhaltequote der vorzeitig beendeten Perioden. 1966, beim Scheitern der bisher letzten schwarz-dominierten Großen Koalition (nach der Neuwahl kam die schwarze Alleinregierung), waren es mit 82 Prozent unwesentlich mehr.

Am schnellsten das Handtuch geworfen hat bisher die ÖVP im Jahr 1995. Auch damals ließ ein neuer ÖVP-Chef - Wolfgang Schüssel - die Koalition mit der SPÖ unter Franz Vranitzky platzen. Von der da noch vierjährigen Legislaturperiode war nach nur 14 Monaten noch kein Drittel vergangen. Schwarz-Blau ging sich danach nicht aus, also wurde Rot-Schwarz fortgesetzt. Auf Platz 2 steht die SPÖ-Minderheitsregierung 1971: Bruno Kreisky rief nach rund 19 Monaten - das waren 40 Prozent - Neuwahlen aus, um sich die Absolute Mehrheit zu holen.

Nach 729 Tagen "reichte" es

Nur die Hälfte der damals vier Jahre hielt sich die erste rot-schwarze Koalition nach Schwarz-Blau: 2008 kündigte ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer mit den Worten "Es reicht" nach 729 Tagen dem SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer die Zusammenarbeit auf. Die von seinem Nachfolger Faymann geführte Regierung von 2008 bis 2013 war bisher die einzige der drei rot-schwarzen Koalitionen seit 2006, die die ganze Amtszeit durchhielt.

In Summe waren vorverlegte Wahlen (manchmal allerdings nur um wenige Monate) eher die Regel als die Ausnahme: Nur neun der (inklusive der jetzigen) bisher 21 Perioden wurden mehr oder weniger voll ausgenützt.

Als Gesetzgebungs- bzw. Legislaturperiode wird übrigens nicht die Zeit zwischen den Wahlen verstanden, sondern die zwischen den Konstituierenden Sitzungen des Nationalrates. Diese müssen binnen 30 Tage nach der Wahl stattfinden.

(APA)

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