SPÖ-Bauchweh mit Urabstimmung

Der steirische SPÖ-Chef, Michael Schickhofer (rechts), schlägt Bundeskanzler Christian Kern eine Urabstimmung vor.
Der steirische SPÖ-Chef, Michael Schickhofer (rechts), schlägt Bundeskanzler Christian Kern eine Urabstimmung vor.APA/ERWIN SCHERIAU
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Die SPÖ könnte sich eine Zusammenarbeit mit der FPÖ per Mitgliederbefragung absegnen lassen. Die Landeschefs drängen auf eine Urabstimmung, die Parteispitze zögert noch.

Wien. Wird sich die SPÖ nach der Wahl ein mögliches Koalitionsabkommen per Urabstimmung von ihren Mitgliedern absegnen lassen? Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler ließ diese Frage am Freitag offen. Das sei eine Möglichkeit, die er selbst schon in der Vergangenheit vorgeschlagen habe, sagte der Parteimanager im ORF-„Mittagsjournal“. Entscheiden würden im Endeffekt die Gremien.

Der Ruf nach einer Urabstimmung kommt aus den Landesparteien. Der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, hatte eine Befragung für den Fall angeregt, dass die SPÖ eine Koalition mit den Freiheitlichen eingehen will. Der steirische Landeschef, Michael Schickhofer, der eine interne Reformgruppe in der SPÖ leitet, ging am Mittwoch noch einen Schritt weiter und schlug vor, die Mitglieder über jede Koalition abstimmen zu lassen. Dem konnten gleich mehrere Kollegen auf Landesebene etwas abgewinnen: Die Landeshauptleute Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) unterstützten den Vorschlag ebenso wie die Tiroler SPÖ-Landeschefin Elisabeth Blanik.

Umgang mit der FPÖ

Hintergrund der Diskussion ist der ungeklärte Umgang der Sozialdemokraten mit der FPÖ. Noch gibt es den offiziellen Parteitagsbeschluss, wonach die SPÖ keine Koalitionen mit den Freiheitlichen eingehen darf. Das gilt für Bund, Länder und Gemeinden, wobei der Beschluss auf Gemeindeebene und auf Landesebene im Burgenland längst unterlaufen wurde.

Auf Bundesebene wird die Frage im Herbst aktuell: Wenn die SPÖ keine Koalition mit der ÖVP mehr eingehen will, bleibt als Partner möglicherweise nur noch die FPÖ übrig. Das aber wird manchen Parteifunktionären nur schwer zu verkaufen sein – hat doch die SPÖ in den vergangenen 30 Jahren ihre Wahlkämpfe primär mit der Warnung vor der „rechten“ FPÖ bestritten.

Ein Versuch, aus dem Dilemma herauszukommen, ist der Kriterienkatalog, den die SPÖ unter Leitung des Kärntner Parteichefs, Peter Kaiser, erarbeitet und der den strikten Anti-FPÖ-Parteitagsbeschluss ablösen wird. Dieser Kriterienkatalog wird keine Partei mehr von vorneherein als Koalitionspartner ausschließen, sondern fixe und flexible Kriterien festlegen, wer als Partner in Frage kommt. Die fixen Kriterien, wie die Einhaltung der Menschenrechte, gelten auf allen Ebenen, die flexiblen Kriterien werden auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene aus den jeweiligen Wahlprogrammen abgeleitet.

Somit wird es vor Wahlen auch keine Festlegung geben, wer danach als Partner in Frage kommt, sagt Kaiser. Das müssten die Gremien vor Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschließen. Das Ergebnis will Kaiser dann auf einer möglichst breiten demokratischen Basis legitimieren lassen – also bestenfalls mit einer Urabstimmung. Möglich sei aber auch ein Parteitag oder ein Parteirat.

Das Modell Burgenland

Der burgenländische Landeschef, Hans Niessl – wichtigster Verfechter einer Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen in der SPÖ –, hat seine Mitglieder selbst schon abstimmen lassen. Allerdings hat er ihnen nicht das fertige Koalitionsabkommen mit der FPÖ vorgelegt, sondern schon vor der Landtagswahl abgefragt, ob es nach der Wahl „Gespräche mit allen im Landtag vertretenen Parteien über eine mögliche Zusammenarbeit“ geben solle. Es gab 88 Prozent „Ja“-Stimmen, Niessl definierte das als Zustimmung zu einer möglichen Koalition.

Ob die Bundes-SPÖ nun auch den Weg einer Mitgliederbefragung geht, ist trotz des Drängens der Landesorganisationen offen. Mitte Juni wird der Parteivorstand das nächste Mal tagen, da wird das wohl ein Thema sein. Skeptiker in der Partei wenden ein, dass ein fertig ausverhandeltes Koalitionsübereinkommen auch abgelehnt werden könnte, was zu schweren Verwerfungen in der Partei führen könnte.

Einen Präzedenzfall für eine Mitgliederbefragung gibt es aus Deutschland: Die SPD hat nach der Wahl 2013 eine Urabstimmung über den Koalitionsvertrag durchgeführt und eine Zustimmung von 75 Prozent erhalten.

AUF EINEN BLICK

Vranitzky-Doktrin. 1986 hatte sich der damalige SPÖ-Chef, Franz Vranitzky, festgelegt: Die SPÖ dürfe keine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ eingehen. Diese Vranitzky-Doktrin galt lange Zeit als Leitlinie für die Partei – ehe die SPÖ 2004 in Kärnten eine Koalition mit der FPÖ einging. Im selben Jahr gab es dann einen Bundesparteitagsbeschluss, der Koalitionen mit der FPÖ verbot. Trotzdem schloss die SPÖ Burgenland 2015 eine Zusammenarbeit mit der FPÖ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2017)

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