Wahlkampf

„Tischler“ Kurz macht's persönlich

„Seid's Ihr auch aus der Gegend?“ Sebastian Kurz beim Gang durch den Weinviertler Tischlereibetrieb.
„Seid's Ihr auch aus der Gegend?“ Sebastian Kurz beim Gang durch den Weinviertler Tischlereibetrieb. (c) APA/GEORG HOCHMUTH
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In einer Tischlerei lud der ÖVP-Chef zu seinem ersten „Österreich-Gespräch“. Während der Minister auf Bürgernähe setzt, gibt es Zahlen für seine Steuerpläne erst später.

Wien. Der Wahlkampf von Sebastian Kurz läuft hölzern an, das ist aber auch genauso gewollt: Eine Tischlerei in Obersdorf (Weinviertel) hat der ÖVP-Chef nämlich auserkoren, um mit dem gestrigen Tag seine „Österreich-Gespräche“ zu starten. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert Kurz an diesem Dienstagvormittag mit lokalen Unternehmern über ihre Probleme. Auch Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner ist dabei. Es ist erst der Anfang dieser Tour: Ein bis zwei solcher Termine will der Außenminister nun in jeder Woche mit Experten oder Bürgern absolvieren, bevor er vermutlich im September sein Wahlprogramm veröffentlicht.

Nicht fehlen darf bei solchen Terminen der obligate Rundgang durch den Betrieb mit seinen 27 Mitarbeitern. „Seid's Ihr auch aus der Gegend“ fragt Kurz zwei junge Tischler. Sie bejahen, geben dem Minister artig die Hand. Kurz absolviert die Gespräche mit den Arbeitern routiniert, ohne sich in Politikermanier zu sehr anzubiedern, aber auch ohne über simplen Small-Talk hinauszukommen.

Schwieriger wird es für Kurz schon in der folgenden Runde mit Journalisten, die sich auch zahlreich in dem Dorf nahe Wiens eingefunden haben. Der ÖVP-Chef ist hier mit Detailfragen zu seinen Steuerplänen konfrontiert. Eine Senkung der Abgabenquote von 43,4 auf 40 Prozent hat Kurz für die kommende Legislaturperiode versprochen, dies soll mit einer Steuersenkung von 12 bis 14 Milliarden Euro möglich werden. Bloß wie? „Wir werden ein Konzept präsentieren, und da werde ich auch genau diese Fragen beantworten“, sagt Kurz und vertröstet die Medienvertreter auf später. Als mögliche Ansatzpunkte nennt der ÖVP-Frontmann Einsparungen bei Förderungen, bei der Bürokratie, bei Sozialleistungen und Migration.

Kurz will, das zeigt sich auch an diesem Vormittag, im Wahlkampf den Leistungsaspekt in den Vordergrund rücken. In Österreich werde man darauf konditioniert, Förderungen zu verlangen. Und wenn einer eine bekomme, wolle sie der nächste auch. Dabei sei das System ein ziemliches Dickicht. Wenn er als Minister etwa ein Integrationsprojekt fördere, könne er momentan nicht in Erfahrung bringen, ob dieses schon von anderer Stelle (etwa Land oder Gemeinde) gefördert wird. Das dürfe nicht sein, meint Kurz. Bis zu fünf Milliarden Euro an Einsparungen seien laut Expertenberechnungen bei Förderungen drinnen, meint der Außenminister.

„Weg mit allen Förderungen“

Wie praktisch, dass auch der Gastgeber hier eine Reform fordert. „Weg mit allen Förderungen“, meint Betriebschef Franz Helmer, der auch Tischler-Innungsmeister ist. Anstatt Unternehmern bei Lehrlingen ein bis vier Monatsgehälter zu ersetzen, sollte der Staat lieber die Lehrlinge während ihrer zehnwöchige Berufsschulzeit bezahlen. Momentan stehen sie während der Zeit auf der Lohnliste des Arbeitgebers. Unterm Strich, so meint der Tischler, würde das den Staat billiger kommen, weil so Betriebe mehr Anreize hätten, Lehrlinge auszubilden.

Ein Wirt, der auch zuvor mit Kurz in der Unternehmerrunde diskutiert hat, wird von anderen Sorgen geplagt. In jede Toilette solle er nun plötzlich einen Vorraum einbauen, klagt er. Das habe ihm bei der Einweihung der Gaststätte aber keiner gesagt. Überhaupt nehme die Bürokratie schlimme Ausmaße an. „Zwanzig Stunden in der Woche bin ich damit beschäftigt, Akten zu lesen“, klagt er. Dafür sei er doch nicht Wirt geworden.

Es sind Bälle, die Kurz gerne aufnimmt. Er verspricht auch, dass vom Bruttolohn künftig wieder mehr netto bleiben soll. Freilich, so wird von Journalistenseite eingewandt, hätten auch schon andere Politiker in der Vergangenheit Steuersenkungen versprochen. Warum ist die Abgabenquote dann trotzdem in die Höhe geschnellt?

Steuer erhöhen war einfachster Weg

„Der Hauptgrund ist, weil es für Politiker der einfachste Weg ist, Steuern zu erhöhen“, sagt Kurz. Hier brauche es eine Veränderung. Hat dann nicht auch die ÖVP, die seit Jahrzehnten in der Regierung ist, Fehler gemacht? „Nur weil die ÖVP in der Regierung war, heißt das nicht, dass alles gut war“, meint darauf Kurz. Aber auch nicht, dass alles schlecht sei „in diesem schönen Land“.

In diesem schönen Land will Kurz nun weiterhin diskutieren. Kommende Woche in Wien zum Thema Soziales.

AUF EINEN BLICK

Sebastian Kurz absolvierte am Dienstag das erste seiner „Österreich-Gespräche“ in einer niederösterreichischen Tischlerei. Bei der Diskussion mit 15 Unternehmern aus verschiedenen Sparten stand das Thema Steuersenkung im Mittelpunkt. Noch keine Details wollte Kurz zu seinen Steuerplänen nennen. Diese soll erst sein Konzept enthalten, das er spätestens Anfang September vorlegen will. Kurz bekräftigte, dass er die Abgabenquote in der kommenden Legislaturperiode von 43,4 auf 40 Prozent senken will. Dafür soll es eine Steuersenkung von 12 bis 14 Mrd. Euro geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2017)

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