Über Bruno Kreiskys Schachzug 1970, den Versuch, die FPÖ aus dem politischen Ghetto herauszuholen.
Wien. Der Zeitgeist war mit ihm, der Wahlsieg in der Tasche. Bruno Kreisky wurde im SPÖ-Hauptquartier in der Löwelstraße am 1. März 1970 bejubelt, auf der anderen Seite der Innenstadt, im Palais Todesco in der Kärntner Straße, herrschte dagegen Fassungslosigkeit. ÖVP-Chef Josef Klaus hatte sich festgelegt, mit der FPÖ keine Regierung zu bilden, das bedeutete seinen Abschied vom Ballhausplatz. In diesen Abendstunden erfolgte der von Kreisky schon länger geplante Schachzug: Die Bildung einer SPÖ-Minderheitsregierung mit Duldung der FPÖ. Er lud noch am Abend den völlig überraschten FPÖ-Obmann Friedrich Peter, zu dem er schon lange zuvor eine politische Vertrauensbasis aufgebaut hatte, zu einem Gespräch. Der Ausgang war positiv: Peters FPÖ, die tief im politischen Ghetto steckte, sah eine Chance, da herauszukommen und war bereit zur inoffiziellen Unterstützung von Kreiskys Regierung im Parlament. Sie erhielt dafür die Zusage einer für Kleinparteien vorteilhaften Wahlrechtsreform.
Später wurde Kreiskys Strategie deutlich: Wurde aus der FPÖ durch diese Förderung eine Mittelpartei wie die deutsche FDP, war das bürgerliche Lager gespalten, eine SPÖ-Mehrheit auf längere Zeit gesichert, die ÖVP als Integrationspartei ordentlich beschädigt. Koalierte die ÖVP mit der FPÖ, konnte man dies jederzeit als „Bürgerblock“ beschimpfen, d.h. eigentlich war die SPÖ taktisch im Vorteil. Über die NS-Vergangenheit von FPÖ-lern hüllte man gnädig den Mantel des Schweigens bzw. Vergessens. Populismus ist keine Erfindung von 2017.