Kurz hätte neue ÖVP-Vorzugsstimmenhürde 2013 verfehlt

Sebastian Kurz
Sebastian KurzAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die ÖVP-Bundespartei hat sich selbst eine Halbierung der gesetzlichen Vorzugsstimmenhürden verordnet. Drei Landesparteien kochen indes ihr eigenes Süppchen.

Die ÖVP-Bundespartei hat sich selbst eine Halbierung der gesetzlichen Vorzugsstimmenhürden verordnet. Dies ist allerdings nur eine Mindestvorgabe, die Landesparteien können die Hürden noch weiter absenken und drei tun dies auch: In der Steiermark wird in den Regionalwahlkreisen vorgereiht, wer sechs (und nicht sieben) Prozent der auf die Volkspartei entfallenen Stimmen als Vorzugsstimme erhält. Auf der Landesliste erfolgt die Vorreihung für jene, die vier (und nicht fünf) Prozent der auf die ÖVP entfallenen Stimmen als Vorzugsstimme erhalten. Noch weiter gehen Niederösterreich und das Burgenland. Sie verzichten auf eine Vorzugsstimmenhürde: Die Mandate sollen automatisch an die Kandidaten mit den meisten Vorzugsstimmen gehen.

Auf einen Blick

Im Bundesparteivorstand der ÖVP am vergangenen Sonntag wurde die statutarische Vorbereitung für die Neuregelung getroffen, beschlossen wird sie am Bundesparteitag am 1. Juli. Demnach werden die gesetzlichen Hürden für eine Vorreihung durch Vorzugsstimmen intern halbiert. Auf regionaler Ebene gelten somit sieben Prozent, auf Länderebene fünf Prozent und auf Bundesebene 3,5 Prozent. Mittels Erklärung werde jeder das Vorzugsstimmen-System anerkennen und somit akzeptieren, dass er oder sie im Fall einer Umreihung auf das Mandat verzichtet, hieß es. Rechtlich verbindlich wäre diese Erklärung aber nicht.

Die Regelung der Bundespartei übernehmen werden dagegen die Landesorganisationen in Wien, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und Vorarlberg. "Wir gehen davon aus, dass damit mehrere Kandidaten diese Grundhürde überspringen werden", sagte der Vorarlberger ÖVP-Geschäftsführer Dietmar Wetz am Donnerstag. In Vorarlberg brauche man dazu derzeit etwa 1800 bis 2000 Stimmen. Man sehe deshalb keine Veranlassung, die Vorgaben noch weiter zu senken: "Es ist bereits ein Riesenschritt, dass die Hürden halbiert wurden."

In Tirol werde der Landesparteivorstand bei einer Sitzung am 3. Juli über die neue Vorzugsstimmenregelung beraten, teilte eine Sprecherin der Landesorganisation mit. Dann soll entschieden werden, ob die Bundesregelung übernommen wird.

"Wenn wenige hingehen, sind die Bünde wichtig"

Detail am Rande: Auch wenn die ÖVP ihre Vorzugsstimmenhürde halbiert - auf Bundes- und Landesebene bleibt sie schwer erreichbar. Das zeigt der Vergleich mit 2013: Selbst der schwarze Jungstar Sebastian Kurz hätte auf der Bundesliste damals kein Vorzugsstimmenmandat geschafft. Denn: Der neue Parteiobmann schaffte 2013 zwar 35.728 Vorzugsstimmen - um 10.000 mehr als Spitzenkandidat Michael Spindelegger und mehr als jeder andere Schwarze. Trotzdem waren das nicht einmal 3,2 Prozent der schwarzen Stimmen - zu wenig für ein Vorzugsstimmenmandat, auch nach den neuen Regeln.

Zwei ÖVP-Frauen wären mit den neuen Regeln vor vier Jahren indes um ihr Direktmandat umgefallen: Hätte es die neuen Regeln schon 2013 gegeben, hätte das Claudia Durchschlag (Wahlkreis 4A - Linz Umgebung) und Beatrix Karl (Wahlkreis 6A - Graz Umgebung) ihre Direktmandate gekostet. Sie wären von zwei nach ihnen gereihten Männern überholt worden. Ins Parlament gekommen wären beide aber trotzdem, weil über die Landesliste "abgesichert" waren.

Der frühere ÖVP-Klubdirektor Werner Zögernitz warnt allerdings vor allzu direkten Vergleichen zwischen 2013 und heuer. Er geht nämlich davon aus, dass die niedrigeren Hürden den internen Konkurrenzkampf der Kandidaten beflügeln werden - und zwar gerade in Regionalwahlkreisen. "Wenn jetzt eine Halbierung eintritt, kommt es zu einer ganz anderen Polarisierung. Es entsteht eine neue Dynamik", so Zögernitz am Donnerstag. Dass alteingesessene (männliche) Kandidaten gut organisierter Bünde junge (weibliche) Kandidatinnen ausstechen könnten, befürchtet er nicht. Wenn die Zahl der Vorzugsstimmen steige, dann würden die Bünde keine so große Rolle mehr spielen, glaubt Zögernitz: "Wenn wenige hingehen, sind die Bünde wichtig. Wenn viele hingehen und stark motivieren, dann hat ein Bund keine Chance." Außerdem sei nicht gesagt, dass Bauern zwangsläufig männlich sein müssten, verwies er auf Elisabeth Köstinger bei der EU-Wahl.

Vorzugsstimmen

Mit "Vorzugsstimmen" können die Wähler neben der Partei auch ihren Wunschkandidaten wählen und - entsprechend viele Stimmen vorausgesetzt - direkt ins Parlament schicken. Zumindest theoretisch. Denn bei der Nationalratswahl 2013 schafften zwar 22 ÖVP-Kandidaten den Sprung über die Vorzugsstimmenhürde. Fast alle hätten ihr Mandat aber auch ohne Persönlichkeitswahlkampf erhalten, weil sie von vornherein an wählbarer Stelle standen (in der Regel als Listenerste in einem Regionalwahlkreis).

(APA)

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