Für den Kanzler ist der Vorstoß von Außenminister Kurz zur Schließung der Mittelmeerroute "keine ernst zu nehmende Politik."
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat den Vorstoß von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zur Schließung der Mittelmeerroute erneut scharf kritisiert. "Da müssen wir in Österreich ein bisschen aufpassen, was unsere europäische Verantwortung ist, und wie wir da auftreten können, so dass wir ernst genommen werden", sagte Kern am Donnerstag nach dem EU-Gipfel in Brüssel.
"Nur einen solchen Vorschlag zu machen, wo wir in Europa Bündnispartner brauchen, europäische Lösungen brauchen, und den wir dann eigentlich nur für die österreichischen Medien und die österreichischen Konsumenten diskutieren - das ist keine ernst zu nehmende Politik."
"Der Vorschlag schwebt hier gar nicht im Raum, aber er schwebt in Österreich im Raum"
"Der Vorschlag schwebt hier gar nicht im Raum, aber er schwebt in Österreich im Raum", sagte Kern. "Was wir brauchen, ist Engagement bei den ganz konkreten Projekten und Maßnahmen, da müssen wir uns viel stärker einbringen." Die EU-Kommission und die Außenbeauftragte Federica Mogherini seien diesbezüglich nicht unerfolgreich. Natürlich gebe es "keine Lösungen mit dem Zauberstab". Vereinbarungen mit Niger, Mali und Libyen seien aber erste gute Schritte.
Alleine Libyen habe 1.770 Kilometer Seeküste. Die EU könne natürlich jederzeit die Boote aufhalten. Es gebe aber auch die rechtlichen Verpflichtungen, sagte Kern. "Das Völkerrecht sieht vor, dass diese Menschen in Europa ein entsprechendes Asylverfahren zu bekommen haben, und das ist natürlich verbindlich. Darüber kann man sich nicht einfach hinwegsetzen, wenn man sich an das Völkerrecht, an die Menschenrechtskonvention halten möchte."
Laut ÖVP sehr wohl Thema beim EU-Gipfel
ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger wies die Darstellung Kerns, die Schließung der Mittelmeerroute sei Thema beim EU-Gipfel gewesen, zurück. Sie verwies auf die Tagesordnung des Gipfels und den Einladungsbrief von EU-Ratspräsident Donald Tusk. Tusk schrieb darin unter anderem, dass im Zusammenhang mit der illegalen Migration nach Europa die Mittelmeerroute "überprüft" werden müsse.
Die Zahl der illegalen Ankünfte in Italien sei im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent gestiegen. Rund 1900 Menschen hätten ihr Leben im Meer verloren, die Schlepperei eine neue Dimension erreicht. Die bisherigen Anstrengungen sind angesichts dieser Entwicklung laut Tusk "klar zu wenig". Es brauche mehr Unterstützung für die libysche Küstenwache, die ein Verbündeter im Kampf gegen die Schlepper sei. Die EU müsse ihre Aufmerksamkeit auf dieses Thema richten, warnte der EU-Ratsvorsitzende.
"Ich weise höflich darauf hin, dass die Mittelmeerroute sehr wohl Thema beim EU-Gipfel ist", meinte ÖVP-Generalsekretärin Köstinger deshalb in Richtung Kanzler Kern. "Und zwar genau die Vorschläge von Sebastian Kurz, die immerhin bis vor kurzem gemeinsame Regierungsposition Österreichs waren", betonte Köstinger. Es gehe um die Eindämmung der illegalen Migration und die verstärkte Kooperation mit nordafrikanischen Staaten. "Wir gehen davon aus, dass unsere Positionen in Europa vertreten werden, so wie das Sebastian Kurz gestern bei mehreren bilateralen Gesprächen mit Spitzen der EU getan hat."
(APA)