Nationalrat - Abschied vom Plenarsaal nach mehr als 2.400 Sitzungen

APA/HANS PUNZ
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Nach knapp 61 Jahren herrscht Pause im Plenarsaal des Nationalrats. Bis zu 352 Millionen Euro soll der Umbau maximal kosten.

Wenn der Nationalrat am kommenden Donnerstag zusammentritt, um die Gesetzgebungsperiode vorzeitig zu beenden, wird wohl ein Hauch Wehmut durch das Hohe Haus wehen. Denn nach mehr als 2.400 Sitzungen heißt es Abschied nehmen vom Plenarsaal, der vor gut 61 Jahren eingeweiht worden war. Nach der Renovierung wird man in einen merkbar umgestalteten Saal zurückkehren.

Nationalratspräsident Felix Hurdes (ÖVP) eröffnet am 8. Juni 1956 eine besondere Sitzung, "die erste Sitzung des Nationalrates, der in einem endlich frei gewordenen Österreich gewählt wurde". Dass man erstmals in einem neuen Plenarsaal tagen konnte, bezeichnete der Parlamentschef als "bedeutungsvoll".

Seit Kriegsende waren die Abgeordneten im historischen Sitzungssaal zusammengetreten, der schon in der Monarchie im Einsatz war und mit seinen gut 500 Plätzen viel zu groß für die nunmehr 165 Parlamentarier war. Daher entschloss man sich, den sogenannten "Herrenhaussitzungssaal", der 1945 durch Bomben komplett zerstört worden war, neu zu errichten.

Überlegungen, den Saal im ursprünglichen Stil wieder aufzubauen, wurden verworfen - vor allem aus Kostengründen. Stattdessen wurden die Architekten Max Fellerer und Eugen Wörle beauftragt, eine moderne Variante zu errichten. Heraus kam ein typisches Beispiel der 1950er-Jahre-Architektur, nüchtern und für damalige Verhältnisse zweckmäßig. Errichtet wurde der Saal innerhalb von zwei Jahren, begleitet vom tragischen Todesfall eines Arbeiters.

Drehstühle als Highlight

Hurdes war als Hausherr mit dem Ergebnis des Baus jedenfalls zufrieden: "Der Saal wirkt trotz seiner Einfachheit vornehm. Er ist freundlich, er ist hell", freute er sich anlässlich der Eröffnung. Star-Architekt Roland Rainer würdigte die Gestaltung derart, dass die Arbeit durchaus als legitime Fortsetzung des Hauptwerkes Theophil Hansens zu werten sei. Auch Alfred Loos hätte seine Freude gehabt, meinte Rainer.

Aus heutiger Sicht eher zum Schmunzeln ist, dass in einer ersten Beschreibung des Plenarsaals auch die bequemen Drehsitze gelobt werden. Denn diese waren das sichtbarste Zeichen nach außen, dass an einem Umbau des Hohen Haus kein Weg mehr vorbei gehen würde. Mehrere Sessel brachen während Plenarsitzungen ein, und das nicht nur unter beleibteren Abgeordneten. Auch das gläserne Dach des Saals kam zu ungewollter Prominenz, als in Folge eines Regengusses die Sitzplätze von drei Grün-Mandataren durchnässt waren.

352 Millionen Budget für Umbau

War am Anfang die Überlegung gestanden, bloß den Plenarsaal einer Renovierung zu unterziehen, stellte sich rasch heraus, dass alleine aus feuerpolizeilicher Sicht an einer Gesamtsanierung des 1874 bis 1883 vom dänisch-österreichischen Architekten Theophil Hansen im neo-klassizistischen Stil errichteten Parlamentsgebäudes vorbeiführen wird. Drei Jahre sollen die im Sommer startenden Arbeiten dauern, der Kostendeckel wurde mit 352 Millionen festgelegt, wobei eine Toleranz von plus/minus 20 Prozent fixiert wurde.

Der Plenarsaal, der 2.431 Sitzungen, davon allerdings etliche nur wenige Minuten lange Zuweisungssitzungen, durchgehalten hat, wird dabei im Wesentlichen einem Facelift unterzogen. Die Sessel werden ausgetauscht, Minister und Staatssekretäre sitzen künftig seitlich zum Rednerpult und nicht mehr hinter den Mandataren, wodurch sie diesen nicht mehr in den Rücken reden werden können. Zudem wird der Saal barrierefrei, längst überfällig, müssen Mandatare im Rollstuhl doch derzeit über Umwege in einem Aufzug zum Rednerpult gebracht werden. Für Wiedererkennung des Plenarsaals wird der stählerne Bundesadler sorgen, der angesichts seiner 650 Kilo die Übersiedlung ins Ausweichquartier in der Hofburg nicht mitmachen muss.

Ersetzt wird er dort im Großen Redoutensaal durch eine deutlich leichtere Kopie. Probe gesessen wurde im neuen Tagungsraum schon, ab Mitte August werden die Sitzungen in dem Prunkraum der Wiener Hofburg abgehalten. Würde bis dahin noch eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen, gäbe es doch noch eine Verlängerung für den Plenarsaal im Stammhaus.

Container als Ersatzquartier

An sich ist das Projekt Übersiedlung schon ganz gut auf dem Weg. Derzeit ist man bei der dritten von vier Tranchen angelangt. Im August werden dann die letzten Arbeitsplätze übersiedelt. Als Ersatzquartiere dienen teils bereits bezogene Container am Heldenplatz bzw. im Bibliothekshof der Hofburg. Auch das Palais Epstein wird vermehrt benutzt, unter anderem kommt ein Teil der Parlamentsbibliothek in dieses benachbarte Gebäude.

Die erste Bewährungsprobe für die Übergangslocation erfolgt übrigens spätestens im September. Für den 20. dieses Monats ist die erste reguläre Sitzung des Nationalrats nach der Sommerpause angesetzt, dann eben im Großen Redoutensaal.

(APA)

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