„Keine Überwachung der Massen“: ÖVP kontert Kritikern

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Justiz- und Innenministerium verteidigen ihre Überwachungspläne. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Wien. Das Thema ist heikel und vor allem: kompliziert. Es geht um Terrorismusbekämpfung, um Rechtsstaatlichkeit – und um die Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz. Dass diese Debatte im Wahlkampf geführt wird, trägt nicht unbedingt zur Versachlichung bei. Oder, anders ausgedrückt, sie heizt die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP noch weiter an.

Am Montag gab es eine neue Episode bei der Auseinandersetzung zum Sicherheitspaket. Zur Erinnerung: Bis 21. August liegen zwei Begutachtungsentwürfe für Gesetzesnovellen im Parlament. Sie sehen mehr Möglichkeiten für die Überwachung von Verdächtigen vor. Und zwar nicht nur über das Telefon, wie derzeit schon möglich, sondern auch über verschlüsselte Messenger-Dienste wie Whatsapp.

Dazu würde (nach einem richterlichen Beschluss) ein eigenes Überwachungsprogramm installiert. Zulässig wäre es, wenn ein terroristischer Hintergrund vermutet wird oder wenn allgemein nach einer Straftat eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren droht. Die Pläne stießen auf massive Kritik, hunderte (teils akkordierte) Stellungnahmen dazu sind bereits eingelangt.

Die Initiatoren der Novellen, das Justiz- und Innenministerium nämlich, starteten am Montag daher eine Gegenoffensive: Werner Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, verteidigte gemeinsam mit Christian Pilnacek, Sektionsleiter im Justizressort, die Pläne.

Zuerst wird telefoniert

Die neuen Maßnahmen seien vor allem aus einem Grund nötig: Täter würden zwar anfangs noch klassische Kommunikationskanäle nutzen – sobald sie aber konkret über eine Straftat sprechen, würden sie in die verschlüsselte Kommunikation wechseln. Kogler nennt als Beispiel den Suchtmittelhandel: „Der Erstkontakt mit dem Dealer läuft über das Telefon. Dieses Gespräch können wir überwachen.“ Sobald die Personen aber ausmachen würden, was und wie viel sie verkaufen wollen, würden sie auf Whatsapp schreiben. Und darauf haben die Behörden keinen Zugriff mehr. „Ähnlich ist es im Bereich Menschenhandel, aber auch bei Extremisten.“ Daher müsse man auch diese Kanäle observieren können. Eine Massenüberwachung finde jedenfalls nicht statt.

So weit, so unumstritten – zumindest in den Regierungsparteien. Doch die Art und Weise, wie diese Überwachung ermöglicht werden soll, bietet noch Konfliktpotenzial. Denn die ÖVP will eine Software (entweder händisch oder sozusagen ferngesteuert) auf den Geräten der Verdächtigen installieren: Gegen die Bezeichnung Bundestrojaner wehrt man sich aber vehement. „Es ist nichts, was illegal eingesetzt werden kann“, sagt Pilnacek. „Sondern ein Werkzeug, das mit einer Vor- und Nachprüfung und begleitendem Rechtsschutz eingesetzt wird.“

Soll das Gesetz wie geplant 2019 in Kraft treten, müsse man es rasch beschließen: Die Software müsse zuerst entwickelt bzw gekauft werden. Sie würde auch mit Sicherheitslücken der Kommunikationskanäle arbeiten, um sich so Zugang zu verschaffen.

„Machen uns zum Kasperl“

Kritiker vermuten hier allerdings sehr wohl einen sogenannten Bundestrojaner: SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim will beispielsweise keine Schadsoftware, sondern andere Wege zur Observation finden.

Allgemein ärgert den roten Abgeordneten die Vorgangsweise der ÖVP. Im Entwurf würden sich einige Dinge wiederfinden, die so nicht kommuniziert oder vereinbart waren. „Meine Vermutung ist, dass die ÖVP das Thema Sicherheit im Wahlkampf weiter diskutieren will. Aber auf niedrigem Niveau.“

Allerdings „durchschaut jeder die Tölpelhaftigkeit“ des Entwurfs. Österreich dürfe nicht „völlig abseits jeder Internationalität sein eigenes Programm handschnitzen, man muss eine intellektuell passable Lösung finden und international kooperieren.“ Nachsatz: „So machen wir uns ja international zum Kasperl.“ In anderen Ländern sind solche Maßnahmen auch Thema bzw umgesetzt – allerdings auch mit Blick auf den Rechtsschutz. Warum er grundsätzlich dem Begutachtungsentwurf zugestimmt habe? Er habe gehofft, dass eine ernsthafte Debatte über die eingelangte Kritik erfolgen werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2017)

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