Analyse

Politiker im Katastropheneinsatz

Viel Häme gab es für Viktor Klima: Der damalige Bundeskanzler im Juli 1997 mit Gummistiefeln beim Hochwassereinsatz.
Viel Häme gab es für Viktor Klima: Der damalige Bundeskanzler im Juli 1997 mit Gummistiefeln beim Hochwassereinsatz. (c) APA
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Naturkatastrophen können den handelnden Politikern nützen oder schaden – je nachdem, wie geschickt sie die mediale Inszenierung gestalten.

Wien/Oberwölz. Bundeskanzler Christian Kern und ÖVP-Chef Sebastian Kurz lieferten sich am Montag ein Wettrennen: Kurz hatte die Nase vorn, als er am Vormittag in der vom Unwetter besonders betroffenen steirischen Gemeinde Oberwölz auftauchte, um danach in Graz gemeinsam mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Finanzminister Hans Jörg Schelling eine Pressekonferenz abzuhalten.

Am Nachmittag kam auch Kern und versprach rasche und unbürokratische Hilfe. „Es muss schnell geholfen werden“, sagte der SPÖ-Chef. Und er versprach den freiwilligen Helfern drei Urlaubstage, die aus den Mitteln des Katastrophenfonds finanziert würden. Auch Kurz versprach rasche finanzielle Soforthilfe. Schelling wies darauf hin, dass der Katastrophenfonds mit 400 Millionen Euro gefüllt sei und im Bedarfsfall aufgestockt werden könne.

Politisches Kleingeld?

Man wolle in dieser Situation aber „kein politisches Kleingeld wechseln“, sagte Schelling auch. Genau dieser Verdacht entsteht aber immer, wenn Politiker persönlich am Schauplatz einer Katastrophe auftauchen. Wobei sie sich da auf einem schmalen Grat bewegen: Erscheinen Politiker nicht, wird ihnen das rasch als Desinteresse und Ignoranz ausgelegt. So bei der britischen Regierungschefin, Theresa May, die sich bei dem katastrophalen Hochhausbrand in London erst sehr spät am Ort des Geschehens zeigte – und da auch nicht mit den Opfern sprach, sondern nur mit den Rettungskräften. Oder Alfred Gusenbauer, der im Jahr 2002 als Oppositionschef keinen Grund sah, anlässlich des Jahrhunderthochwassers an der Donau seinen Urlaub zu unterbrechen.

Allerdings haben Oppositionspolitiker in solchen Situationen ohnehin nicht viel zu gewinnen – sind sie doch auf die Rolle des Zusehers beschränkt. Regierungspolitiker dagegen können Handlungsfähigkeit signalisieren: Sie können rasche eintreffende Hilfsgelder versprechen und medienwirksam den Krisenstab dirigieren – auch wenn die dort versammelten Praktiker auch ganz gut ohne Politiker auskommen würden.

Basis für den Wahlsieg

Tatsächlich hat schon so manche Politikerkarriere durch gelungene Auftritte in einer Notsituation einen Schub bekommen: Die steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic legte während des Grubenunglücks in Lassing 1998 die Basis für ihren fulminanten Wahlsieg. Und auch Erwin Pröll hat das Donauhochwasser 2002 politisch sicher nicht geschadet.

Politikerauftritte können aber auch danebengehen. Als der damalige Bundeskanzler Viktor Klima bei einem vergleichsweise harmlosen Hochwasser in Hirtenberg mit schicken gelben Gummistiefeln auftauchte, musste er einiges an Häme einstecken. Zu leicht durchschaubar war die mediale Inszenierung.

In diese Falle sind diesmal weder Kurz noch Kern getappt. Der ÖVP-Chef zeigte bei seinem Medienauftritt in Graz zwar Präsenz, überließ dort aber dem Landeshauptmann und dem Finanzminister die Bühne.

Besuch ohne Fotografen

Davor hatte er persönlich das Katastrophengebiet besichtigt, ohne allerdings einen Fototermin daraus zu machen. SPÖ-Chef Christian Kern hat sich zwar in Oberwölz fotografieren lassen – sich dabei aber nicht mit Helferutensilien wie Gummistiefeln, Helm und Helferjacke ausstaffieren lassen.

Eine Naturkatastrophe in Österreich hatte übrigens weitreichende politische Folgen: Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nahm das Donauhochwasser von 2002 zum Anlass, erstens die Anzahl der Eurofighter von 24 auf 18 Stück zu reduzieren und zweitens die damals geplante Steuerreform zu verschieben. Letzterem stimmte zwar seine Vizekanzlerin, Susanne Riess, zu, nicht aber der eigentlich starke Mann des Koalitionspartners FPÖ, der Kärntner Landeshauptmann, Jörg Haider.

Die Folgen sind bekannt: Haider zettelte in Knittelfeld eine Revolution gegen das eigene Regierungsteam an, die freiheitliche Regierungsmannschaft trat zurück, die FPÖ erlebte bei der darauf folgenden vorgezogenen Neuwahl ein Desaster – und Schüssel einen triumphalen Wahlsieg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2017)

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