Mit Sicherheit in den Wahlkampf

Die Parteien sind uneins darüber, wie viele Befugnisse Polizei und Gerichte im Kampf gegen den Terror erhalten sollen.
Die Parteien sind uneins darüber, wie viele Befugnisse Polizei und Gerichte im Kampf gegen den Terror erhalten sollen.Die Presse
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Die Parteien streiten sich um die Frage, wie viele Befugnisse der Staat mit dem Sicherheitspaket für den Kampf gegen den Terror erhalten soll. Heute tagt dazu der Nationale Sicherheitsrat.

Wien. Offiziell befinden sich noch nicht alle Parteien im Wahlkampf – tatsächlich sind sie dort längst angekommen. Ein Befund, der beim Thema Sicherheit am deutlichsten zutage tritt. Während die FPÖ ein mehrteiliges Video über den fiktiven Einbruch bei der „Familie Huber“ produziert hat, um die Bürger daran zu erinnern, zu welch unsicherem Land Rot und Schwarz Österreich verkommen ließen, richten sich die Nochkoalitionspartner im Tagestakt Fehlbarkeiten aus.

Dabei geht es vor allem um das Sicherheitspaket, das die ÖVP-geführten Ministerien für Inneres und Justiz geschnürt haben und auf dessen Beschluss sie pochen. Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner und Kanzleramtsminister Thomas Drozda (beide SPÖ) erklärten am Donnerstag, dass man nicht an einer „Husch-pfusch-Aktion“ interessiert sei. Das von der Volkspartei vorgelegte Paket weise etliche „technische und handwerkliche Mängel“ auf, die auszuräumen in den wenigen Wochen vor der Nationalratswahl nicht mehr möglich sei. Lediglich einen „ambitionierten Zeitplan“ zu zimmern sehe man sich noch in der Lage.

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz bewertet die Lage freilich anders. Das Sicherheitspaket sei „absolut notwendig“, sagte er und verwies auf die jüngsten Terroranschläge in Barcelona, Berlin, Brüssel, Paris. Drastischer im Ton, gleich in der Schlagrichtung Innenminister Wolfgang Sobotka: „Telefonie können wir im konkreten Verdachtsfall überwachen, aber WhatsApp und Skype nicht. Wo liegt da der Sinn darin?“ Überhaupt plane jeder, der sich gegen die Novelle stelle, einen „Anschlag auf die Sicherheit der Österreicher“, hat Sobotka seinen Kritikern ausgerichtet – zu denen längst nicht nur die SPÖ zählt.

Tatsächlich lehnen alle übrigen Parlamentsparteien das Bündel ab, zu dem u. a. der Zugriff auf die Kommunikation mit verschlüsselten Messengerdiensten, E-Mail-Entwürfen oder online abgelegten Fotos (nach richterlichem Beschluss, bei Verdacht auf terroristische Inhalte), die Abschaffung anonymer Prepaid-Handykarten und der Ausbau der Videoüberwachung zählen. Als Gründe geben sie mitunter einen mangelhaften Rechtsschutz (FPÖ), „populistische Wahlkampfaktionen“ (Neos) oder „einen Eingriff in die Grundrechte“ (Grüne) an.

Gelingt der „nationale Schulterschluss“?

Auch der Oberste Gerichtshof ist über die bisherigen Pläne nicht gerade glücklich, stößt sich vor allem an der angedachten Software zur Überwachung, der er „kaum praktische Bedeutung“ zumisst. Etliche Private meldeten ebenfalls Kritik an: Sie nutzten die Begutachtungsfrist für den Entwurf, um bis zum 21. August rund 9000 ablehnende Stellungnahmen einzubringen.

So weit, so festgefahren die Positionen. Heute, Freitag, soll das anders werden – zumindest, wenn es nach schwarz-türkiser Vorstellung geht. Auf Initiative Sobotkas wird der Nationale Sicherheitsrat zusammentreten, ein Gremium, das nach den Terroranschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 ins Leben gerufen wurde. Den Vorsitz hat Kanzler Christian Kern, weiters stimmberechtigt sind der Vizekanzler, Außen-, Verteidigungs-, Justiz- und eben der Innenminister sowie je zwei Vertreter pro Parlamentsfraktion und zusätzlich weitere acht Parteienvertreter.

Sobotka erhofft sich von dem Treffen einen „nationalen Schulterschluss“, um Polizei und Gerichten mehr Handhabe im Kampf gegen den Terror einzuräumen. Immerhin seien Einwände aus dem Begutachtungsverfahren inzwischen in das Paket eingewoben worden (Details siehe unten). Ob die Änderungen den übrigen Parteien weit genug gehen, wird sich zeigen. Kanzleramtsminister Drozda zeigte sich vorab wenig euphorisch („Man merkt die Absicht und ist verstimmt“), aber gesprächsbereit: „Wenn es neue Vorschläge gibt, wird man sicher darüber verhandeln.“ Bis zum Wahltag sind es übrigens noch sechs Wochen.

Die ÖVP kommt der SPÖ entgegen

Die ÖVP hält an dem umstrittenen Sicherheitspaket fest. Um die SPÖ doch noch von ihren Plänen zu überzeugen, haben Innenminister Wolfgang Sobotka und Justizminister Wolfgang Brandstetter den Gesetzesentwurf am Donnerstag noch einmal überarbeitet – und in machen Punkten entschärft. Die jüngsten Änderungen im Überblick:

Videoüberwachung: Sobotka forderte ursprünglich Zugriff auf private Videokameras. Nun soll die Weitergabe des Videomaterials nur freiwillig erfolgen. Echtzeitstreaming ist nur in dringenden Fällen zulässig. Und eine längere Aufbewahrungspflicht kann nur vorgeschrieben werden, wenn ohnehin an öffentlichen Orten videoaufgezeichnet wird.

Handyüberwachung: Über einen Code auf der SIM-Karte kann man vieles über den Telefonbesitzer erfahren – es sollen aber keine Inhalte ausgelesen werden dürfen, sondern nur Standorte ermittelt werden.

Lauschangriff: Bei der akustischen Überwachung von Personen in Fahrzeugen werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen erhöht. Erlaubt wird sie nur zur Aufklärung von Verbrechen mit einer Strafe von über drei Jahren sowie zur Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung. Außerdem muss eine richterliche Anordnung vorliegen.

Asfinag-Daten: Wann sollen die Daten von technischen Geräten der Asfinag an die Sicherheitsbehörden übermittelt werden dürfen? Hier wurden die Zwecke präzisiert: Wenn nach Verdächtigen gefahndet wird. Und wenn gefährliche Angriffe abgewehrt oder aufgeklärt werden sollen.

Änderungen gibt es auch an der Spitze der Polizei. Konrad Kogler, bis vor Kurzem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, wurde am Donnerstag in seinen neuen Job als Polizeichef von Niederösterreich eingeführt. Seine Nachfolgerin, Wiens Ex-Vizepolizeidirektorin Michaela Kardeis, wird heute vorgestellt. (ath)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2017)

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