Köstinger nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit zur Nationalratspräsidentin gewählt

Elisabeth Köstinger
Elisabeth Köstinger(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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56 Mandatare stimmten für den bisherigen Zweiten Präsidenten Kopf. In der Debatte zollte ÖVP-Chef Kurz den Grünen Respekt. SP-Obmann Kern warnte vor der "Mobilisierung niedriger Instinkte".

Elisabeth Köstinger ist am Donnerstag vom Nationalrat zu dessen Präsidentin gewählt worden. Das Ergebnis war freilich eher bescheiden. Nur 117 der 175 gültigen Stimmen entfielen auf die 38-jährige ÖVP-Politikerin. Das sind knapp 67 Prozent und damit das schwächste Ergebnis der bisherigen Ersten Nationalratspräsidenten.

Die bisherige Europaparlamentarierin ist die dritte Frau in dieser Position und mit 38 die jüngste Parlamentschefin aller Zeiten. Offen ist, ob Köstinger die Funktion dauerhaft ausübt. Spekuliert wird, dass die bisherige Generalsekretärin der ÖVP bei der Bildung einer schwarz-blauen Regierung ein Ministeramt übernehmen könnte.

Dies ist wohl ein Grund für ihr bescheidenes Abschneiden. Nicht weniger als 56 Mandatare stimmten für den bisherigen Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf, der von seiner Partei, der ÖVP, übergangen worden war. Die Neos hatten das vorher schon angekündigt, die 46 weiteren Stimmen für Kopf kamen von anderen Fraktionen, die sich im Vorfeld nicht entsprechend deklariert hatten.

Köstinger will ihr "Bestes dafür tun, Präsidentin für alle zu sein". Sie wolle auch eng mit den Bürgern in Kontakt sein und deren Anliegen im Hohen Haus vertreten. Geworben wurde von der neuen Parlamentschefin für "eine neue politische Kultur", die die Menschen wieder an die Politik glauben lasse. Vielleicht müsse man sich auch hier manchmal einfach dazu durchringen, über den anderen etwas positives zu sagen. Sich selbst bezeichnete Köstinger als gleichzeitig glühende Österreicherin und glühende Europäerin. Sie sehe sich als Verbinderin der Interessen zwischen Fraktionen aber auch innerhalb von Europa.

Hofer Dritter Präsident mit bestem Ergebnis

Ebenfalls nur ein schwaches Ergebnis erzielte Doris Bures (SPÖ) bei der Wahl zur Zweiten Nationalratspräsidentin: Sie erhielt 115 der 174 gültigen Stimmen. Immerhin 23 Stimmen entfielen auf SPÖ-Chef Christian Kern, der sich für die Position nicht beworben hatte.

Das beste Ergebnis der Präsidiumswahlen holte sich Norbert Hofer. Der FPÖ-Politiker zieht mit einer Unterstützung von 83,54 Prozent in seine zweite Amtsperiode - wobei auch bei ihm ein Wechsel in die Regierung nicht ausgeschlossen ist.

Kurz zollt Grünen Respekt

Auch wenn über die Regierung erst verhandelt wird, zeichneten sich die künftigen Rollen schon in der ersten Debatte ab: Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von der "Chance zum Neuanfang", sein Partner in spe Heinz-Christian Strache (FPÖ) von nötiger "positiver Veränderung" - und Noch-Kanzler Christian Kern (SPÖ) war "fast versucht", den beiden zu sagen: "Kaufts Euch a Wohnung."

Kurz nutze seine Rede vorwiegend für Dank (an verabschiedete langjährige Parlamentarier wie Jakob Auer und Josef Cap), eine Respektsbekundung gegenüber den Grünen für ihre Verdienste für die Republik und die Anpreisung Köstingers, die "jahrelange Erfahrung im Europaparlament" gesammelt habe. Dem von der ÖVP nicht mehr nominierten Kopf dankte der geschäftsführende Klubobmann August Wöginger, aber auch Kern namens der SPÖ und Strache für die FPÖ.

Schon ein wenig den Kanzler zeigte Kurz mit der Ansage, dass er sich "auf die Zusammenarbeit mit Ihnen in den nächsten fünf Jahren" freue, samt Hinweis darauf, dass es für die neue Regierung nötig sein werde, im Parlament Zweidrittelmehrheiten für große Veränderungen zu finden.

SPÖ will "Gegenpol zur oberflächlichen Inszenierung" bilden

Noch-Kanzler Kern erinnerte an die Novemberpogrome vor 79 Jahren - und mahnte als "Konsens, den alle vertreten sollten" ein, dass "Ausgrenzung, die Suche von Sündenböcken, Rassismus und die Mobilisierung niedriger Instinkte in der Politik keinen Platz haben". Mit einem Schlenker gegen die demonstrierte "Innigkeit und Intimität" in den türkis-schwarz-blauen Verhandlungen ließ er wissen, wie die SPÖ die Opposition anlegen wird: Vorschläge hinterfragen, bessere Alternativen vorlegen - und "bewusst einen Gegenpol zur oberflächlichen Inszenierung" bilden, die man schon in den Koalitionsgesprächen sehe.

Zwischen Regierung und Opposition schwankte Strache: Er zitierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dass man jetzt "Gräben zuschütten und Brücken bauen" müsse - und appellierte, dass man auch "harte Diskussionen gesittet" führt und dabei "natürlich auch das Niveau gewahrt bleibt". Dann kritisierte er noch einmal die "immensen Belastungen", die Rot-Schwarz hinterlasse und deren "massiven Zwist und Hader". Das alles habe bei der Wahl eine Absage erhalten, jetzt müsse "wirklich positive Veränderung und Erneuerung stattfinden" - wandte er sich den Themen - Steuern, direkte Demokratie, Zuwanderung - zu, die die FPÖ in der Regierung anpacken will. Der FPÖ-Chef dankte nicht nur dem bisherigen Zweiten Präsidenten Kopf, sondern auch Bures für den "parteipolitisch unabhängigen und fachlich exzellenten" Vorsitz im Präsidium.

Strolz begründete, warum die Neos Köstinger nicht wählen konnten: Sie wollten ein - von dieser nicht gewährtes - Gespräch, um sich zu versichern, "dass das Amt mit großer Ernsthaftigkeit" und "voller Leidenschaft" angegangen wird. Denn es gehe um das "Hohe Haus", die erste Staatsgewalt - und dieses sei "kein Durchhaus und kein Rangierbahnhof", beschrieb Strolz die Vermutung, dass Köstinger sich in Kürze wieder Richtung Regierung verabschiedet. Die Neos wollen in ihrer zweiten Periode "die Kontrollpartei gegen Korruption, Steuergeldverschwendung und Parteibuchwirtschaft" sowie "Hüterin der Verfassung" und "Reformturbo" sein.

"Sie sehen, ich bin nicht Peter Pilz"

Mit den Worten "Sie sehen, ich bin nicht Peter Pilz" trat Peter Kolba ans Rednerpult - und prangerte auch gleich die "beispiellose Medienjustiz" an, die dazu geführt habe, dass jetzt er und nicht der Parteigründer der Liste Pilz als Klubobmann hier stehe. Auch ohne Pilz werde man aber "kantige, wahrnehmbare Opposition" sein und "abwehren, was Schwarz-Blau für die Bevölkerung vorgesehen hat". Vorerst aber bat er Kolba einmal um 100 Tage Einarbeitungszeit für die neue Fraktion, "wir müssen uns konsolidieren".

(APA)

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