Kapsch: Brauchen keine EU-Erweiterung, sondern Vertiefung

IV-Präsident Georg Kapsch
IV-Präsident Georg KapschAPA/HANS KLAUS TECHT
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"Wir sollten anderen Ländern die Türe nicht zuwerfen, wir sollten aber auf Grund der Stimmungslage in Europa etwas vorsichtiger umgehen", fordert IV-Präsident Georg Kapsch.

Mit parteipolitischen Äußerungen hat sich IV-Präsident Georg Kapsch bisher eher zurückgehalten, aus seiner liberalen, pro-europäischen Haltung aber nie ein Hehl gemacht und sich in der Vergangenheit auch klar für eine Erweiterung der EU ausgesprochen. In diesem Punkt habe er seine Meinung jedoch in den vergangenen Jahren geändert, sagte Kapsch im Gespräch mit der APA.

"Wir sollten anderen Ländern die Türe nicht zuwerfen, wir sollten aber auf Grund der Stimmungslage in Europa etwas vorsichtiger umgehen", meint Kapsch. "Ich glaube, wir brauchen jetzt eine Vertiefung der Europäischen Union und wir brauchen eine Neudefinition der Aufgaben der Nationalstaaten und der EU selbst. Damit brauchen wir auch eine Diskussion über die Frage der europäischen Institutionen und auch der Frage, wie diese Institutionen bestellt oder gewählt werden."

Es sei nicht einzusehen, warum man bei einer Europawahl von nationalen Listen wählen müsse und nicht zum Beispiel spanische, polnische, tschechische oder italienische Kandidaten wählen könne. Ebenso wenig sei es einzusehen, warum es keine Direktwahl des Kommissionspräsidenten gebe.

"Ich war immer ein Freund einer sehr weitgehenden Vertiefung und in Wahrheit am Ende einer Art Bundesstaat", so Kapsch. "Aber man muss die Realitäten zur Kenntnis nehmen: Das würde die Menschen in Europa einfach überfordern und den europäischen Gedanken töten." Auch im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt der Türkei habe er seine Meinung geändert, sagte Kapsch. Dieser mache aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen und jener der vergangenen Jahre keinen Sinn. Die wirtschaftlichen Beziehungen sollten aber intakt bleiben.

Der Brexit werde die EU sehr schmerzen und ihr schaden, "weniger wirtschaftlich als gesellschaftspolitisch". Zwar hätten die Briten viele Sonderrechte gehabt, "aber auch ein liberales Element in die Europäische Union eingebracht, das in den anderen Ländern weitestgehend fehlt. Das könnte dazu führen, dass wir noch etatistischer werden als wir heute ohnehin schon sind."

In der Flüchtlingsfrage sieht der IV-Präsident große Versäumnisse der EU und der osteuropäischen EU-Mitglieder. "Wir haben die Länder Italien und Griechenland über Jahre einfach im Regen stehen gelassen. Wie soll Griechenland - trotz der übertriebenen Militarisierung des Landes - Grenzen mit hunderten Inseln schützen? Das geht ja nicht."

"Der nächste Schritt muss jetzt eigentlich sein, dass wir ein entsprechendes Verteilungssystem in Europa finden - weil es kann mir doch kein Mensch erklären, dass ein Kontinent mit über 500 Millionen Menschen nicht in der Lage ist, fünf Millionen Flüchtlinge aufzunehmen." Man müsse aber grundsätzlich unterscheiden zwischen Wirtschaftsmigration und Asyl. Asyl sei ein Menschenrecht. "Bei der Wirtschaftsmigration sehe ich das Thema ganz anders, da glaube ich schon, dass wir selektieren können und müssen." Die EU müsse in den betroffenen Ländern Zentren einrichten um die wirtschaftliche Situation in diesen Ländern zu verbessern und dort bereits zu entscheiden, wer nach Europa darf und wer nicht.

Teure Bürokratie

Sehr kritisch sieht Kapsch die Bürokratie in Europa, aber auch in Österreich. "Die Bürokratie in Europa - und zwar nicht die Beamten in Brüssel, sondern die strengen Regulative im Bereich Compliance und Governance, wo wir weit übers Ziel geschossen haben - kostet ungefähr drei Prozent des europäischen BIP." Auch in Österreich sei "die Bürokratie erdrückend, die Steuerlast eine Katastrophe und das Arbeitszeitrecht ein Anachronismus", meint der Industriellen-Präsident.

Der EU und auch den Politikern in Österreich wirft Kapsch vor, "auf die tragende Säule der Wirtschaft zu vergessen, nämlich auf die Leitbetriebe". Es sei ein Fehler, "diese in Zukunft von Technologieförderungen auszuschließen und alles in Richtung Start-ups und KMU zu drehen. Das ist eindeutig der falsche Weg, denn damit kille ich die gesamte inkrementelle Innovation."

Wie zuletzt Politik gemacht und der Wahlkampf betrieben wurde, führt zu noch größerer Politikverdrossenheit, meint Kapsch. Knapp vor der Wahl noch Gesetze durchzudrücken sei "ein echter Skandal. Man sollte wirklich einführen, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem der Nationalrat beschlossen hat sich aufzulösen, keine nachhaltigen Beschlüsse mehr gefasst werden dürfen. Dann kommen wir auch von diesen idiotischen Wahlgeschenken weg, die nur Geld kosten und die nächste Generation bezahlen darf." Den Wahlkampf sollte man auf maximal fünf Wochen beschränken.

(APA)

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