Sag es dem Politiker! Zwischen „Assi-Staat“ und seriöser Debatte

Bürger können direkt auf der Homepage des Parlaments ihre Meinung hinterlassen.
Bürger können direkt auf der Homepage des Parlaments ihre Meinung hinterlassen.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Das Parlament lädt Bürger ein, Gesetzesentwürfe online zu begutachten. Wie wird das Service angenommen?

Wien. „Meiner Meinung nach gehören BEIHILFE ZAHLUNGEN sowieso nur Personen die sich auch im Inland Aufhalten, ihren Wohnsitz haben Geleistet! Im Ausland lebende Personen sollten Beihilfemäßig überhaupt NICHT berücksichtigt werden! Auf Was hinauf bitte?“

Nicht jede Stellungnahme, die Bürger auf der Webseite des Parlaments zu Gesetzesplänen abgeben, mag in puncto Satzstellung und Grammatik korrekt sein. Doch bereits in den ersten Tagen zeigt sich, dass die neue Möglichkeit, während der Begutachtungsfrist online Stellung zu nehmen, genutzt wird. Zwar war es Privatpersonen schon bisher möglich, Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen abzugeben. Nun aber muss man diese nicht mehr dem Parlament schicken, sondern man kann direkt auf der Homepage des Parlaments seine Meinung hinterlassen. Und neu ist auch, dass das Parlament die Bürger aktiv einlädt, auf der Seite des Hohen Hauses (www.parlament.gv.at) ihre Meinung zu geplanten Novellen kundzutun.

Bereits drei Gesetzesentwürfe werden nach den neuen Regeln diskutiert. Besonders im Fokus ist die geplante Novelle zur Familienbeihilfe. Personen, die in Österreich arbeiten, aber ihre Kinder in einem EU-Land mit günstigeren Lebenshaltungskosten haben, sollen demnach weniger Beihilfe bekommen. Die Meinungen über den Plan der Koalition gehen unter den Bürgern auseinander. Ein Befürworter schreibt etwa, dass in Ungarn im Gegensatz zu Österreich die Nachmittagsbetreuung der Kinder inklusive Essen frei sei. Und er argumentiert damit, dass man doch auch als Arbeitnehmer weniger Taggeld bekomme, wenn man in ein günstigeres Land entsendet werde.

Täglich neue Rückmeldungen

Ein anderer User hingegen findet, dass das Regierungsvorhaben „eine isolierte Maßnahme“ darstelle, „die in dieser Form der europäischen Idee nicht gerecht wird“. Ein weiterer Bürger meint: „Wenn die Arbeitnehmer dieselbe Steuerleistung in AT erbringen, erklärt sich eine Kürzung der Familienbeihilfe auf gar keinen Fall.“ Und weiter: „Finde diese Änderung weder zeitgemäß noch weiterer Begutachtung nötig – absolutes No-Go!“

In der Mehrheit sind aber jene, die die Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland befindliche Kinder begrüßen. Doch was passiert mit den Stellungnahmen, die auf der Parlamentsseite abgegeben werden? „Bundesministerien bekommen nach Ende der Begutachtungsfrist einen Report mit allen Stellungnahmen und Zustimmungserklärungen“, erklärt eine Sprecherin des Parlaments der „Presse“. Und die Abgeordneten bzw. die Parlamentsklubs würden sogar täglich über neu eingelangte Stellungnahmen informiert werden.

Um seine Meinung auf der Parlamentsseite kundtun zu dürfen, muss man mindestens 16 Jahre alt sein. Fantasienamen sind nicht gestattet, wer will, kann aber angeben, dass seine Stellungnahme nicht veröffentlicht werden und nur den Politikern zugehen soll. Um die Diskussion in Gang zu bringen, gibt es bei Ministerialentwürfen zu Gesetzen eine Kurzinformation, die die wesentlichen Inhalte kompakt darstellt. Und wer die Stellungnahme eines anderen Bürgers gut findet, kann ähnlich wie auf Facebook auch ein „Like“ vergeben.

Würde des Nationalrats einhalten

Für die Bürger gilt es bei den Stellungnahmen aber, gewisse Grenzen einzuhalten. Die Online-Eingabe ist auf 2500 Zeichen begrenzt. Und „alle Stellungnahmen müssen der Würde des Nationalrates entsprechen“, wie das Parlament betont.

Wobei man den letzten Punkt nicht allzu rigoros auslegt. So darf ein Bürger auf der Parlamentsseite zur Neuregelung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags seinen Unmut kundtun: „Österreich entwickelt sich durch diese gewollten kommende Maßnahmen immer mehr zum Assi-Staat, und geht weg vom SOZIALSTAAT ! ! !“, meint er.

Auf einen Blick

Bürger können seit heuer direkt über die Homepage des Parlaments Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen abgeben. Diese Maßnahme ist Teil des erweiterten Begutachtungsverfahrens, das der Nationalrat im Frühsommer 2017 beschlossen hat.

Die Ministerien geben neben ihren Gesetzesentwürfen eine zusätzliche Kurzinformation heraus, um die Novelle verständlich zu machen. Bürger ab 16 Jahren können während der Begutachtungsfrist ihre Meinung zu Vorschlägen der Politik einbringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2018)

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