Reaktionen zum Budget: "Hat sich Karl-Heinz-Grasser-Anerkennungspreis verdient"

NATIONALRAT: BUDGETREDE DES FINANZMINISTERS LOeGER
NATIONALRAT: BUDGETREDE DES FINANZMINISTERS LOeGERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Das Budget von Türkis-Blau ist enthüllt: Die SPÖ fühlt sich ob des neuen Budgets an die Nullerjahre erinnert, die Neos nennen das Budget "populistisch". Wirtschaftskammer-Präsident Leitl ruft einen "Tag der Freude" aus.

SPÖ-Parteichef Christian Kern hat in der Budgetrede von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am Mittwoch nur "Sprüche und Werbeanzeigen" gehört. "Der Finanzminister hat mit dieser Rede den 'Karl-Heinz-Grasser-Anerkennungspreis' verdient", befand Kern am Rande des Plenums vor Journalisten.

Die Aussage der Regierung, es werde "im System" gespart, halte der Realität nicht stand, kritisierte Kern. "Hier wird gekürzt bei den Menschen", bei älteren Arbeitslosen etwa. Auch SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer fühlte sich bei den Ausführungen des Finanzministers an Budgetreden der Nullerjahre erinnert - "da waren auch flotte Sprüche und ganz viele Superlative zu hören", nutzte er kurzerhand die Debatte zu diversen Finanzgesetzen für Kritik an der Budgetrede. "Ihre Sprüche waren vielleicht nicht so flott und jugendlich, aber sehr ähnlich" jenen Grassers, der von 2000 bis 2007 schwarz-blauer Finanzminister war. Die "Werbesprüche" hätten mit der Realität wenig zu tun, richtete Krainer Löger aus. "Sie sparen bei den Menschen und zwar nur bei den Menschen - bei jenen, denen es nicht besonders gut geht."

>>> Übersicht: Das türkis-blaue Budget im Detail

Die Neos werfen der Regierung "populistische Budgetpolitik" vor. Die Partei macht ihrem Unmut über das Budget außerdem per Dringlicher Anfrage am Löger im Nationalrat Luft. Die Neos fordern dabei die "Etablierung einer effektiven Schuldenbremse". Generationengerechte Politik müsse auf einem mittelfristig ausgeglichenen Budget fußen, argumentiert Mandatar Sepp Schellhorn.

IV kritisiert "Zielorientierung" bei Familienpolitik

Anders beurteilt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl das Doppelbudget. Er nennt das Budget "eine große Wende" und den "Beginn des Weges zurück an die Spitze" und verkündete einen "Tag der Freude". Wirtschaftsbund-Generalsekretär René Tritscher erwartet, dass alle heimischen Unternehmen von Steuerstrukturreformen profitieren werden. Viel Lob kommt auch von der Tourismuswirtschaft. Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, sieht im Budget "die Eckpfeiler einer verantwortungsvollen, vorausschauenden nachhaltigen Standortpolitik". 

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), meinte, die Kürzungen in den Bereichen Klima und Umwelt seien "zur Kenntnis zu nehmen". Bei der Familienpolitik hätte sich die Industrie mehr Zielorientierung gewünscht: "Eine Zweckgebundenheit der Steuerleistung sowie Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und verbesserte Öffnungszeiten wären aus Sicht der Industrie sinnvoll gewesen."

ÖBG "lehnt nicht das Ziel Nulldefizit" ab, aber Sparen "auf Kosten der Ärmsten"

Der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer haben Einsparungen bei den "Ärmsten" im neuen Budget kritisiert. "Der ÖGB lehnt nicht das Ziel Nulldefizit an sich ab, sondern wie es die Regierung erreichen will: mit Sparmaßnahmen, die nicht nur auf Kosten der Ärmsten gehen", sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar in einer ersten Reaktion. "Auf der anderen Seite macht die Regierung Steuergeschenke an Hoteliers, und sie verzichtet auf Steuereinnahmen durch fehlende Verfolgung von Steuerhinterziehung", sagte Foglar. "Der Finanzminister will Steuerzahler entlasten, vergisst dabei aber auf zigtausende Kinder, deren Eltern in Niedriglohnbranchen arbeiten und auf jeden Cent angewiesen sind", kritisiert Foglar die Pläne zum Familienbonus.

Auch für AK-Präsident Rudolf Kaske geht das Budget in die falsche Richtung. Der Aufschwung sollte vor allem für eine markante Reduktion der Zahl der Arbeitslosen und eine Verbesserung der sozialen Dienstleistungen, wie etwa Pflege oder Bildung, genutzt werden. "Sparen am falschen Platz rächt sich in der Zukunft", betont Kaske. Stattdessen braucht es effiziente Maßnahmen gegen Steuerbetrug und -umgehung.

Der AK-Präsident verweist auf die vorgeschlagenen Kürzungen von AMS-Mitteln für die Arbeitsmarktintegration. "Wir werden beim AMS-Budget ganz sicher keine einseitigen Kürzungen bei den Ausbildungen für Junge, für gering qualifizierte und Flüchtlinge mittragen", betont Kaske. In diesem Bereich zu sparen ist nicht nur integrationspolitisch der völlig falsche Weg, sondern auch volkswirtschaftlich mehr als unvernünftig.

Wifo: "Zukunftsbereiche" zu gering ausgestattet

Die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Margit Schratzenstaller, hält die im Budgetvoranschlag angepeilten Ziele für realistisch - allerdings nur dann, wenn die Regierung ihre "Hausaufgaben" auch macht. Dazu zählt Schratzenstaller vor allem die Konkretisierung und Umsetzung von großen Strukturreformen.

Das Ziel, bereits 2019 ein ausgeglichenes Budget auf den Tisch zu legen, werde durch eine "Mischung aus drei Dingen" realisiert: Einerseits gebe die gute Konjunktur "Rückenwind", andererseits habe man nun die Sonderbelastungen durch die Bankenrettung bewältigt, hier gebe es sogar Einnahmen durch die Verwertung von Assets. Drittens würden auch die Konsolidierungsmaßnahmen, die die Regierung eingeleitet hat, etwas beitragen. In den Jahren 2018 und 2019 würden vor allem die kurzfristigen Maßnahmen wirken.

Zu bedenken gibt Schratzenstaller auch, dass einige "Zukunftsbereiche" zu gering ausgestattet wären: Von den bisherigen Einsparungs-Planungen seien ja die Bereiche Sicherheit, Verteidigung sowie Wissenschaft und Bildung ausgenommen. Als dennoch zu mäßig betrachtet die Wifo-Expertin die Steigerungen der Mittel im Bildungsbereich: "Da muss man mehr drauflegen". Und auch der Schulbereich gehöre weiter ausgebaut. Ebenfalls zu wenig Mittel sind für Schratzenstallers Empfinden im Integrationsbereich eingeplant: "Da sollte man auch aus ökonomischer Sicht größere Mittel anstreben."

Fiskalrat-Chef: EU-Defizitvorgaben heuer wohl verfehlt

Österreich dürfte die EU-Defizitvorgaben mit dem Doppelbudget heuer verfehlen, ab 2019 aber einhalten. Davon geht der Chef des Fiskalrates, Bernhard Felderer, aus. Offiziell bewerten wird der Fiskalrat das Budget erst Anfang Juni - weshalb Felderer betont, dass er vorerst nur seine persönliche Einschätzung zu den Vorhaben der Regierung abgeben könne. "Das ist ein Geschenk gewesen, das bei der ursprünglichen Planung für 2018 nicht drin war", sagt Felderer zur starken Konjunktur.

Skeptisch ist der Wirtschaftsforscher, was die angekündigte Sparmilliarde in der Verwaltung angeht. Das sei schon oft angekündigt worden. Allerdings spare die Regierung ja auch eine Milliarde Euro durch die Rücknahme von Beschäftigungsbonus und "Aktion 20.000". Deren Streichung begrüßt Felderer: "Das war ja eine völlig unsinnige Maßnahme in einer Zeit, wo man gewusst hat, dass es konjunkturell aufwärtsgeht."

"Sehr interessante Akzente" sieht Felderer im Budget durch den Familienbonus und die Senkung der Arbeitslosenbeiträge für Niedrigverdiener. In Kombination führe das nämlich dazu, dass der Abstand zwischen Arbeitseinkommen und Mindestsicherung für Geringverdiener größer werde. Dadurch werde es für Niedrigverdiener attraktiver, eine Arbeit aufzunehmen. Außerdem werde damit die Ungleichheit reduziert, weil niedrige Einkommen stärker profitieren.

Lorenz sieht "Mutlosigkeit der Regierung"

Der Thinktank Agenda Austria stellte "Licht und Schatten" bei den Regierungsplänen fest. Erfreulich sei, dass das Defizit heuer kleiner ausfallen werde als in den vergangenen Jahren. Aber: Weniger erfreulich seien die fehlenden Strukturreformen, die das Budget nachhaltig entlasten würden.

Vor allem würden Antworten auf die rasant steigenden Kosten in den Bereichen Pensionen, Gesundheit und in der Pflege fehlen, meint Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz: "Dass die Regierung in diesen Bereichen keinerlei Lösungen anzubieten hat, ist ihr schon deshalb vorzuwerfen, weil der Finanzminister im Budget ja explizit auf die drohende Kostenexplosion hinweist."

Durch die Alterung der Gesellschaft werde langfristig zu einer Kostenexplosion im Bereich der Pensionen, der Gesundheit und der Pflege kommen. "Diese Probleme wurden nicht ansatzweise angegangen. Leidtragend sind die nachkommenden Generationen, die für die Mutlosigkeit der Regierung bezahlen werden", sagte Lorenz.

NGOs kritisieren Kürzungen bei Auslands-Hilfen

Österreichische Hilfsorganisationen sind mit dem am Mittwoch präsentierten Budget alles andere als zufrieden. Vor allem die Kürzung des Auslandskatastrophenfonds (AKF) und die fehlenden Schritte zur Aufstockung der bilateralen Entwicklungshilfegelder stießen bei den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf Kritik.

Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer, der sich aktuell in Syrien aufhält, appellierte "dringend" an die Bundesregierung, die geplanten Kürzungen zu überdenken. "Ich bin hier in Syrien, um den aktuellen Bedarf an Hilfe zu erstellen. Ganz klar ist, dass es in den zerbombten Städten Aleppo und Homs für Millionen von Menschen ohne Hilfe kein Überleben gibt", sagte Schweifer zur APA. Umso dramatischer sei die Kürzung der Hilfe vor Ort.

Die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) zeigte sich ernüchtert vom Budgetvorschlag der Bundesregierung. In Summe würde das "Engagement für die Ärmsten sinken", zitierte Kathpress die KOO. Anja Appel, Geschäftsführerin der KOO, sprach von einem "absolut falschen Signal", denn - so Appel - man kürze ausgerechnet "in einer Zeit, die nicht nur eine globale Klimakrise erlebt, sondern in der auch das soziale Ungleichgewicht zwischen und in den Ländern wächst. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist ein solcher Schritt verantwortungslos und hat ernsthafte Folgen für die Menschen in den Partnerländern".

(APA/epos)

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