Kärnten: Wo Rot-Schwarz noch funktioniert

Peter Kaiser
Peter KaiserAPA/GERT EGGENBERGER
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Nach 100 Tagen zieht die SPÖ-ÖVP-Koalition eine positive Bilanz. Beobachter sehen eine klare Dominanz der Sozialdemokraten, die ÖVP müsse ihre Rolle als Juniorpartner in der Regierung noch finden.

Wien/Klagenfurt. Nach 60 Tagen hatte der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann, Peter Kaiser, eine erste Bilanz seiner Regierung noch allein präsentiert, nach hundert Tagen durfte der Koalitionspartner dabei sein: Kaiser und der Kärntner ÖVP-Chef, Martin Gruber, stellten die Erfolge der rot-schwarzen Koalition vor – von guten Wirtschaftszahlen bis hin zu einer Milliardeninvestition beim Chiphersteller Infineon, für die die Landespolitik einen Beitrag geleistet habe.

Die Zusammenarbeit verlaufe gut, versicherten beide Partner. Und tatsächlich wird in Kärnten kaum über Konflikte in der ersten Koalition auf Landesebene (bisher gab es Konzentrationsregierungen, in der alle Parteien vertreten waren) berichtet. Lediglich bei der Bestellung des neuen Bildungsdirektors soll es Verstimmungen beim kleinen Koalitionspartner gegeben haben, wurde doch ein SPÖ-naher Mann nominiert. Doch selbst das drang nicht an die Öffentlichkeit.

Koalition nach Ultimatum

Die gute Zusammenarbeit ist nicht selbstverständlich. Nicht nur wegen der bundespolitischen Konstellation, auch der Start in die rot-schwarze Koalition war holprig gewesen. Die ÖVP hatte den damaligen Parteichef Christian Benger gegen alle Abmachungen nach Abschluss der Verhandlungen ausgetauscht, die SPÖ reagierte mit einem Ultimatum: Die Koalition gebe es nur, wenn das Einstimmigkeitsprinzip in der Regierung fällt, die SPÖ die Beschlüsse also im Alleingang treffen kann.

Von diesem Recht haben die Sozialdemokraten in den ersten hundert Tagen keinen Gebrauch gemacht – und man wolle das auch in Zukunft nicht, bekräftigte Kaiser am Freitag. Trotzdem bietet diese per Verfassungsänderung fixierte Option der SPÖ eine komfortable Position: Sie kann mit 18 von 36 Mandaten im Landtag nicht überstimmt werden, und die ÖVP kann auch in der Landesregierung nichts blockieren.

Quasi-Alleinregierung der SPÖ

So hat die ÖVP, die mit Martin Gruber einen jungen, ambitionierten Bürgermeister an die Spitze geholt hat, ihre Rolle noch nicht ganz gefunden. Ein eigenständiges Profil gelingt maximal bei Bundesthemen, die von der Koalitionsvereinbarung ausdrücklich ausgenommen wurden, nicht aber auf Landesebene.

„Die ÖVP gibt es nicht, wir haben quasi eine Alleinregierung der SPÖ“, ätzt der frühere freiheitliche Landesrat Christian Ragger. Die ÖVP habe sich mit der Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips in der Regierung massiv unter Wert an die SPÖ verkauft. Auch beim Team Kärnten ortet man ein „devotes“ Verhalten Grubers gegenüber dem Landeshauptmann.

Inhaltlich kritisieren beide Oppositionsparteien Versäumnisse der Koalition beim Ausbau der Infrastruktur. „Team Kärnten“-Chef Gerhard Köfer spricht auch von „Reformverweigerung und Postenschacher“. Umgekehrt sehen auch Kaiser und Gruber die Opposition nicht ganz so positiv: Auch diese habe ihre Rolle noch nicht gefunden. Kaiser kündigte eine Aufwertung der Opposition an: Diese werde demnächst per Gesetzesänderung auch in den Gremien der Landesholding vertreten sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)

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