70 Türken verloren die österreichische Staatsbürgerschaft

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Es soll angeblich Tausende illegale Doppelstaatsbürgerschaften geben. Doch bislang haben nur wenige Türken die österreichische Staatsbürgerschaft verloren.

Die Überprüfung Tausender angeblich illegaler Doppelstaatsbürgerschaften hatte bisher wenig Folgen: Erst rund 70 Türken bekamen per Bescheid mitgeteilt, dass sie die österreichische Staatsbürgerschaft verloren haben, ergab ein Rundruf. Viele haben Beschwerde dagegen erhoben, jetzt warten die Länder zunächst auf die Urteile der Landesverwaltungsgerichte. Erste liegen nun in Vorarlberg und Wien vor.

Das könnte Bewegung bringen in die Klärung der Frage, ob Tausende in Österreich eingebürgerter Türken widerrechtlich auch die Staatsbürgerschaft der alten Heimat wieder angenommen haben. Auf das Tapet kam sie mit einem Datenstick, den die FPÖ nach dem türkischen Verfassungsreferendum im März 2017 dem Innenministerium übermittelte. Darauf fanden sich rund 100.000 Namen von Türken in Österreich. Im August des Vorjahres forderte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, 20.000 "Scheinstaatsbürgern" wegen Teilnahme am türkischen Referendum die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen.

18.000 Verfahren in Wien anhängig, drei Aberkennungen bestätigt

Die - für Staatsbürgerschaftsfragen zuständigen - Bundesländer nahmen daraufhin umfangreiche Prüfungen auf. Einige eröffneten Feststellungsverfahren in allen Verdachtsfällen, in Wien sind beispielsweise 18.000 Verfahren anhängig. Andere - wie Oberösterreich oder Tirol - begnügten sich vorerst mit Musterverfahren. Alle warten nach den ersten Bescheiden auf Entscheidungen der Landesverwaltungsgerichte über grundsätzliche Rechtsfragen.

Erste Urteile gab es in Wien. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Wien bestätigte in drei Fällen die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch die Behörde, sagte Werner Sedlak, Leiter der zuständigen MA 35, am Mittwochvormittag. "Das Gericht hat die Rechtsansicht der Behörde bestätigt. Diese drei Personen haben somit die österreichische Staatsbürgerschaft rückwirkend verloren", sagte Sedlak. Die Betroffenen hatten zuvor gegen die Entscheidung der MA 35 Beschwerde eingelegt, konnten den Verlust der Staatsbürgerschaft aber vor Gericht nicht abwenden. Sie können nun im Zuge einer außerordentlichen Revision noch den Verwaltungsgerichtshof anrufen. Gegen einen vierten Bescheid der Wiener Behörde war keine Beschwerde eingelegt worden. Die 18.000 Wiener Verfahren würden einzeln geprüft, sagte Sedlak. Auf Basis der jetzigen Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts könne man nun zügig weiterarbeiten.

Die Sache in die Länge gezogen hat auch, dass im Feststellungsverfahren Urkunden aus der Türkei vorgelegt werden müssen - und viele Betroffene um Verlängerung der prinzipiell sechs Wochen langen Frist angesucht haben. Kann der Vorwurf der illegalen Doppelstaatsbürgerschaft nicht entkräftet werden, ist die österreichische Staatszugehörigkeit automatisch erloschen. Dies wird den Betroffenen mit einem Bescheid mitgeteilt. Gegen diesen ist die Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht möglich. Außerdem könnten sich Betroffene auch an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof wenden.

Wallner für "hartes und konsequentes Vorgehen"

Während viele Bundesländer noch darauf warten, hat das LVwG Vorarlberg in einem ersten Fall einen Feststellungsbescheid wegen unzulässiger österreichisch-türkischer Staatsbürgerschaft bestätigt. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) kündigte daraufhin ein weiterhin "hartes und konsequentes Vorgehen" an.

"Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts hat die Rechtsmeinung des Landes Vorarlberg bekräftigt. Alle noch offenen Verfahren werden jetzt konsequent durchgezogen", sagten Wallner und sein Regierungskollege Christian Gantner (ÖVP) am Dienstag. Mit der Entscheidung bestehe nun mehr Rechtsklarheit für ein weiteres Vorgehen der Behörden. Insgesamt seien in Vorarlberg noch 37 Feststellungsverfahren offen, das LVwG bearbeite derzeit weitere fünf Beeinspruchungen wegen der Aufhebung von österreichischen Staatsbürgerschaften, bestätigte ein Sprecher.

(APA)

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