Kern-Nachfolge: Eine Absage nach der anderen

Nachdem Christian Kerns Abgang versucht die SPÖ ihre Perspektiven auszuloten.
Nachdem Christian Kerns Abgang versucht die SPÖ ihre Perspektiven auszuloten.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Gerade als sich die Wogen in der gebeutelten SPÖ geglättet haben, geht der Parteichef – und damit kommen neue Probleme. Wie die Partei nun versucht, sich neu aufzustellen.

Wien. Nachdem SPÖ-Chef Christian Kern seinen höchstpersönlichen Plan B verkündet hat – nämlich, SPÖ-EU-Spitzenkandidat werden zu wollen –, versucht die Partei ihre Perspektiven auszuloten. Wie es nun mit der krisengebeutelten österreichischen Sozialdemokratie weitergeht:

1 Wie steht die SPÖ momentan da? Was bedeutet Kerns Rückzug für die Partei?

Der momentane Zustand der SPÖ ist mit einem Wort zu beschreiben: chaotisch. Kern hinterlässt mit seinem überraschenden Wechsel nach Brüssel ein veritables Personalproblem. Und das jetzt, da sich die Wogen in der gebeutelten SPÖ gerade langsam geglättet haben. Die Landtagswahlen im Frühjahr hatte man einigermaßen unbeschadet überstanden. Die Partei fühlte sich nach der Niederlage im Herbst gerade langsam in die Oppositionsrolle hinein. In Wien fand sich nach heftigen Flügelkämpfen mit Michael Ludwig dann doch ein neuer Bürgermeister. Hans-Peter Doskozil, der als potenzieller Kern-Konkurrent gehandelt wurde, scheint sich im Burgenland wohlzufühlen und sich auf seinen neuen Job als Landeshauptmann zu freuen. Kern selbst bemühte sich zuletzt, die Beziehung zu innerparteilichen Kritikern wie Ludwig, Doskozil oder Bures zu verbessern – was auch gelang. Doch gerade, als es ein wenig bergauf ging, ging Kern. Dass er das tut, stößt allerdings weniger auf Kritik als die Art, wie er das tat. So sagte etwa SPÖ-Altkanzler Franz Vranitzky: „So kann man sich nicht verhalten, so kann man nicht abtreten.“

2 Wie geht es nun für die SPÖ weiter? Wie findet sie einen neuen Bundesparteichef?

Kern hat zuerst angekündigt, den Bundesparteivorsitz mit seinem geplanten Wechsel nach Brüssel zurückzulegen. Bis Dienstag glaubte die Partei noch, dass sich Kern bei einem Parteitag am 6. Oktober in Wels als solchen wiederwählen lassen will. Kern war bisher auch der einzige, der sich für diese Funktion als Kandidat gemeldet hatte. Der Parteitag wurde nun auf November verschoben, das wurde in den Gremien am Mittwoch beschlossen. Bis dahin soll ein potenzieller neuer SPÖ-Chef, der breiten Konsens in der Partei schafft, gefunden werden und am Parteitag als Kern-Nachfolger gewählt werden. Einen eindeutigen, logischen Nachfolger gibt es derzeit nicht.

3 Welche Namen fallen, wer hat die besten Chancen auf den Parteivorsitz?

Etliche hochrangige SPÖ-Politiker meldeten sich am Mittwoch zu Wort und forderten, die Nachfolge vor allem rasch zu regeln. Auch Wiens Bürgermeister Ludwig war darunter: Er möchte eine Kampfabstimmung unbedingt vermeiden.

Die unterschiedlichen Gruppierungen in der SPÖ versuchen schon ihre Wunschkandidaten zu platzieren. Da fallen die Namen der Ex-Kanzleramtsminister Thomas Drozda (soll Managementgeschick haben) und Josef Ostermayer (lange politische Erfahrung). Oder Gerhard Zeiler, der fast statt Kern Parteichef geworden wäre. Kerns Wunschkandidatin ist wohl Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Ob sie eine Mehrheit für sich finden kann, ist fraglich. Mit der Gesundheitsexpertin hätte die SPÖ eine moderne Frau an der Spitze. Allerdings ist sie wie Kern Quereinsteigerin, hat noch wenig politische Erfahrung. Darum ist Unterstützung vonseiten der Führung der Wiener SPÖ nicht zu erwarten. Aber auch Ex-Infrastrukturminister Jörg Leichtfried darf sich Hoffnungen machen. Er hat jedenfalls Karriereambitionen, eine Eigenschaft, die in der SPÖ momentan nicht unbedingt im Übermaß vorhanden ist – denn eine Absage aussichtsreicher Kandidaten jagt die nächste. Kaiser oder Doskozil haben ebenso abgewinkt wie die zweite Nationalratspräsidentin, Doris Bures. Leichtfried allerdings will noch etwas werden. Er wurde zuletzt als EU-Spitzenkandidat ebenso genannt wie als SPÖ-Steiermark-Chef.

4 Wie geht es nun mit Christian Kern persönlich weiter?

Kern holte sich am Mittwoch den Segen in den Gremien seiner Partei für die EU-Spitzenkandidatur der SPÖ. Es gab zwei Gegenstimmen. Kern kündigte danach in Salzburg seine europäische Spitzenkandidatur an. Der Prozess sei zwar „holprig gelaufen“, er werde aber in den nächsten Wochen Gespräche mit seinen EU-Kollegen führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2018)

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