Braunauer FPÖ-Vizebürgermeister tritt nach "Ratten-Gedicht" ab

++ ARCHIVBILD ++ RATTEN-GEDICHT' DER FPOe BRAUNAU - VIZEBUeRGERMEISTER CHRISTIAN FISCHER (FPOe)
++ ARCHIVBILD ++ RATTEN-GEDICHT' DER FPOe BRAUNAU - VIZEBUeRGERMEISTER CHRISTIAN FISCHER (FPOe)APA/FRANZ NEUMAYR
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Christian Schilcher zieht Konsequenzen, nachdem er ein ausländerfeindliches Gedicht veröffentlicht hatte. Manfred Haimbuchner sieht keinen „politischen Skandal“. Die Staatsanwaltschaft hat indes Ermittlungen aufgenommen.

Christian Schilcher, FPÖ-Vizebürgermeister von Braunau, tritt zurück. Das berichtete „Der Standard“ unter Berufung auf FPÖ-Quellen am Dienstagvormittag in seiner Online-Ausgabe. Schilcher hatte am Wochenende für Empörung gesorgt: In der Parteizeitung der Braunauer FPÖ hatte er ein Gedicht veröffentlicht, in dem er Vergleiche zwischen Menschen und Ratten gezogen hatte. Ein Vorgehen, das für ihn auch strafrechtliche Konsequenzen haben könnte: Die Staatsanwaltschaft Ried ermittelt bereits, ein Verfahren wurde aber noch nicht eingeleitet. "Wir schauen uns das jetzt an", sagte Sprecher Alois Ebner, es gehe wohl "primär Richtung Verhetzung".

>> Morgenglosse: Ein FPÖ-Dichter für Blute und Boden

FPÖ-Bundesobmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache bestätigte unterdessen den Rückzug Schilchers. Zudem kündigte Strache an, der Braunauer Funktionär werde auch aus der FPÖ austreten. Der Rücktritt Schilchers, sagte Strache, würde erfolgen, „um Schaden von der Partei abzuwenden“. Das Gedicht stelle ein „Fehlverhalten“ dar, das nicht mit den Grundsätzen der FPÖ vereinbar sei. „Er hat im wahrsten Sinne des Wortes in den politischen Müll gegriffen“, sagte Strache am Dienstag zu Schilcher. Dieser habe sich von sich aus für den Rückzug entschieden.

Kurz nennt Rückzug „einzig logische Konsequenz“ 

Für die Rücktrittsankündigung gab es am Dienstag lobende Worte von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der mit der FPÖ regiert. Schilchers Rücktritt sei „die einzig logische Konsequenz zu diesem abscheulichen und rassistischen Gedicht“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme Kurz'. „Der klare Schritt“ Straches sei „notwendig und richtig“ gewesen.

Auf Seiten der Opposition werden indes die Stimmen lauter, die ein Ende der türkis-blauen Zusammenarbeit fordern. So sagte der stellvertretende SPÖ-Klubmann Jörg Leichtfried, der Rücktritt des Braunauer Kommunalpolitikers sei lediglich eine „Mini-Konsequenz“. Vielmehr, meinte Leichtfried, sei es an der Zeit für Kanzler Kurz, „diesen Spuk“ zu beenden - und an den Ruf Österreichs zu denken.

Auch die Neos und die Liste „Jetzt“ sagten am Dienstag, Kurz' Erklärung sei zu wenig. Bruno Rossmann, Klubobmann von „Jetzt“, riet Kurz, „die Reißleine zu ziehen“ und die Koalition zu beenden. Dasselbe gelte für den ÖVP-Landeshauptmann Oberösterreichs und den SPÖ-Landeshauptmann im Burgenland, die beide mit der FPÖ koalieren. Niki Scherak, stellvertretender Klubobmann der Neos, meinte, die Distanzierung von Kurz bringe „herzlich wenig“ - am Kern der FPÖ werde sich damit nichts ändern. Der Kanzler habe gewusst, „mit wem er sich ins Bett legt“.

Haimbuchner nimmt Rücktritt „zur Kenntnis“ 

Der oberösterreichische FPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner sagte indes, er nehme Schilchers Rücktritt „zur Kenntnis“. Im Verlauf des Dienstags gab Haimbuchner an, selber nicht an einen Rücktritt zu denken: „Nicht alles, was geschmacklos ist, ist ein politischer Skandal.“ Er wolle „zur Sachpolitik zurückkehren“.

Zuvor hatte es offenbar Druck von Kurz auf Strache in der Causa gegeben, hieß es in dem „Standard“-Bericht. Die Partei habe dem Kommunalpolitiker Schilcher den Rücktritt nahegelegt. Im Vorfeld hatten sowohl Kurz als auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) eine Distanzierung gefordert. Stelzer nannte das Gedicht „widerlich“.

Schilcher hatte ursprünglich angekündigt, keine Konsequenzen ziehen zu wollen. Er habe das Gedicht zwar als Provokation gemeint, beleidigen und verletzen habe er damit aber niemanden wollen. Er hatte in dem Gedicht unter dem Titel "Die Stadtratte (Nagetier mit Kanalisationshintergrund)" Vergleiche zwischen Menschen und Ratten gezogen. In dem Text wird über Migranten hergezogen sowie über das Bekenntnis zur eigenen Heimat und die "Vermischung" von Kulturen und Sprachen gereimt.

ÖVP, SPÖ und Grüne in Braunau bezeichneten den "Ratten"-Artikel der FPÖ in einer gemeinsamen Presseaussendung als "vollkommen inakzeptabel". Gerade im Hinblick auf das historische Erbe der Stadt brauche es besondere Sensibilität. "Der Inhalt, die gewählte Diktion und die angeführten Vergleiche sind aufs Schärfste zurückzuweisen und entsprechen in keiner Weise den von der Stadt Braunau am Inn vertretenen Werten", hieß es in der Erklärung.

Oberösterreich: SPÖ und Grüne wollen Koalitionsende

Auch in Oberösterreich wurde das Ende einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ gefordert - jener auf Landesebene. Die beiden Parteien orten ein System, die Grenzen des Sagbaren bewusst zu verschieben. Die SPÖ verlangte zudem den Rücktritt Haimbuchners.

Sowohl die Grünen als auch die SPÖ verwiesen auf die historische Belastung des Vergleichs zwischen Menschen und Ratten. SPÖ-Landesparteivorsitzende Birgit Gerstorfer und -Klubchef Christian Makor erinnerten diesbezüglich an den nationalsozialistischen Propagandafilm "Der ewige Jude", in dem Bilder von Ratten hart geschnitten auf jene mit Menschen mit ausländischem Aussehen gezeigt werden.

Die "Hetzschrift" der Braunauer FPÖ, die als Postwurf an jeden Haushalt in der als Hitler-Geburtsstadt ohnehin historisch belasteten Innviertler Bezirkshauptstadt gegangen sei, sei "in der Landespartei verlegt und gedruckt" worden, sagte Gerstorfer. Die FPÖ habe keinen "Narrensaum", wie Haimbuchner es bezeichne, sondern sie sei "das Zentrum dieser Grauslichkeiten". Die Landes-FPÖ wies indes zurück, dass die Aussendung von ihr gedruckt worden sei. Jede Ortsgruppe kümmere sich selbst um den Druck ihrer Aussendungen und sei für deren Inhalt selbst verantwortlich. Die Landespartei überprüfe diesen auch nicht, sagte FPÖ-Landesparteisekretär Erwin Schreiner.

Der grüne Landessprecher Stefan Kaineder sagte, dass man zwar Köpferollen verlangen könne - aber „an der Gesamtsituation wird das nichts ändern“. Er forderte ausdrücklich die Beendigung aller Koalitionen mit der FPÖ - von der SPÖ genauso wie von der ÖVP. Es gehe um die Zukunft der liberalen Demokratie, so Kaineder: Das „Metaprogramm“ der FPÖ habe der oberösterreichische Landesrat Elmar Podgorschek in seiner umstrittenen Rede bei der AfD in Thüringen vorgetragen, „wir haben es auf Video“.

Auch der grüne Klubobmann Gottfried Hirz befürchtet, dass die FPÖ "so etwas wie ein autokratisches System errichten will". Die FPÖ bediene sich dazu einer Taktik, die laute: "Das Unsagbare sagbar machen." Allerdings gebe es auch Mehrheiten ohne die FPÖ: Im oberösterreichischen Proporzsystem würde eine Aufkündigung des Arbeitsübereinkommens zwar an der Zahl der blauen Regierungssitze nichts ändern, man könne aber auch mit freien Mehrheiten arbeiten oder Landesräten Kompetenzen nehmen. ÖVP und FPÖ regieren in Oberösterreich bequem mit einer Zweidrittelmehrheit.


>> zum Bericht auf DerStandard.at

(Red./APA)

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