Die innenpolitische Krise könnte die Wahlbeteiligung weiter senken. Identitäre werben für Strache bei der EU-Wahl.
Wien. Es gibt Jobs in dieser Republik, die sind gerade schwieriger als andere. FPÖ-Chef zum Beispiel, um nur einen zu nennen. Aber auch Meinungsforscher stehen in Österreich vor keiner leichten Aufgabe. Sämtliche Umfragen zur EU-Wahl, die vor dem Ibiza-Video gemacht wurden, sind für die Berechnung einer Prognose nun unbrauchbar. Auch wenige Tage vor dem 26. Mai lässt sich nicht abschätzen, welche Auswirkungen die Ereignisse auf das Wahlergebnis haben werden. „Die politische Lage ist nicht stabil und verändert sich ständig“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek zur „Presse“. Allein daher könne man keine Prognose erstellen. Valide Zahlen für einen seriösen Trend würden schlicht fehlen.
Die Freiheitlichen haben – neben allen internen Problemen – nun jedenfalls eine andere große Sorge: die geringe Wahlbeteiligung. Schon bei vergangenen EU-Wahlen verzichtete ein Teil der freiheitlichen Anhänger, ihre Stimme abzugeben. Nun, nach den kompromittierenden Videoaufnahmen, könnten noch mehr FPÖ-Fans am Wahlsonntag zu Hause bleiben. Die Partei setzt daher auf einen „Jetzt erst recht“-Wahlkampf: Mit einer Stimme für die Freiheitlichen könnte man die Feinde, die Strache in die Falle gelockt haben, schwächen. Genauso wie die ÖVP und Bundeskanzler Sebastian Kurz – die nun, laut FPÖ, wieder schwarz und nicht mehr türkis sei. Die EU-Wahl ist also ein erster Stimmungstest für die Freiheitlichen, der zeigen kann, wie viele Anhänger noch auf ihrer Seite sind.
Auch Heinz-Christian Strache spielt im Wahlkampf noch eine Rolle. Aus symbolischen Gründen ließ er sich in seiner Zeit als FPÖ-Chef noch auf den Listenplatz 42 für die EU-Wahl aufstellen. Erhält er genügend Vorzugsstimmen, könnte er also noch ein Mandat erhalten. Die rechtsextremen Identitäre betreiben nun, wohl als Provokation, einen Vorzugsstimmenwahlkampf für Strache, wie der „Standard“ berichtet.
Opposition fühlt sich bestätigt
Und die anderen Parteien? Die ÖVP setzt in den letzten Stunden auf Sebastian Kurz – noch genießt er ja den Kanzlerbonus – und inszeniert sich als einzige noch staatstragende Partei. Für SPÖ, Neos, Grüne und Liste Jetzt sind die Ereignisse der vergangenen Tage der beste Beweis, dass man die rechten Kräfte in der Europäischen Union stoppen müsse. Das Thema wird sich wohl auch in den Nationalratswahlkampf weiterziehen. (ib)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)