Vor der Wahl wird nun das Pflegegeld erhöht

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Die Parteien einigten sich am Dienstag, das Pflegegeld in Zukunft jährlich an die Inflation anzupassen. Dem Aktivisten Klaus Katzianka ist das nicht genug: Er fordert auch inhaltliche Änderungen im System.

Wien. Aufmerksame Beobachter könnten durchaus ein Muster erkennen: Sobald eine Nationalratswahl näherrückt, werden im Pflegebereich Signale gesendet. 2017 war es der Pflegeregress, der im Nationalrat mit Stimmen aller Parteien mit Ausnahme der Neos abgeschafft wurde. Seitdem gibt es keinen Zugriff auf das Vermögen der Pflegebedürftigen mehr – ein Gesetz, das den Betroffenen zugutekommt, finanziell aber vor allem zulasten der Länder und Gemeinden ging. Gegenmaßnahmen im Pflegebereich wurden nicht gesetzt.

Und nun, vor der Wahl im September, soll das Pflegegeld valorisiert werden. Die finanzielle Unterstützung für Betroffene soll ab 2020 jährlich an die Inflation (gemeinsam mit der Pension) angepasst werden. Bisher hatte das Pflegegeld seit seiner Einführung im Jahr 1993 rund 30 Prozent an Wert verloren. Zunächst sah es so aus, als wollte die ÖVP dem Antrag der Liste Jetzt nicht zustimmen. Am Dienstag einigten sich sämtliche Klubs auf die Valorisierung.

„Es hilft noch lange nicht, wenn Parteien kurz vor Wahlen aktiv werden“, sagt der Steirer Klaus Katzianka, Aktivist, Betreiber einer Betreuungsagentur für Pflegebedürftige und selbst Rollstuhlfahrer. Er möchte nicht, dass man der Bevölkerung nun das Gefühl gebe, dass das Problem damit erledigt sei. Genauso wie eine Pflegeversicherung nach einer Idee der ÖVP eine „Mogelpackung“ sein könnte, wie Katzianka es formuliert. „Grundsätzlich können wir schon über das Modell reden“, sagt er. Aber dann müsste man auch andere, die größten Probleme im Pflegebereich angehen.

„Beträge um 30 Prozent erhöhen“

Und die wären? Zunächst das Pflegegeld per se. Das wird erst ausbezahlt, sobald der Arzt bei einer betroffenen Person einen Pflegebedarf von 65 Stunden feststellt. Dafür gibt es 157 Euro pro Monat. In der siebten und höchsten Stufe sind es monatlich rund 1688 Euro. „Diese Beträge müssten um 30 Prozent erhöht werden – mindestens“, sagt Katzianka. Bedürftige und Angehörige könnten sich eine angemessene Betreuung in vielen Fällen nicht leisten, sagt er. Das würde unter Umständen auch zu einer massiv schlechten Bezahlung der Betreuungs- und Pflegekräfte führen, vor allem von jenen aus den Nachbarländern.

Auch die Richtlinien bei der Einstufung von Pflegebedürftigen in die unterschiedlichen Stufen sollte man überdenken, findet Katzianka. „Wenn Demenz vorliegt, sollten die Pflegebedürftige anders eingestuft werden.“ Derzeit würde es pauschal 25 Stunden pro Monat zusätzlich geben. Doch Betroffene könnten in vielen Fällen gar nicht mehr allein gelassen werden, würden aber nicht entsprechend eingestuft werden.

„Ich fürchte auch, dass man die Pflegegeldvergabe ändern möchte“, sagt Katzianka. Er warnt vor der grundsätzlichen Idee, einen Teil des Pflegegeldes nicht mehr den Betroffenen selbst zu überweisen, sondern den pflegenden Angehörigen. „Dann sind wir vom ursprünglichen Geist des Pflegegeldes weit weg“, sagt er. Die Grundfinanzierung sollte immer beim Pflegebedürftigen oder dessen Bevollmächtigten ankommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2019)

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