Die sonderbare Welt der ÖVP-Bünde

(c) Clemens Fabry
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Von einer freien Wahl der Kräfte durch Neo-Vizekanzler und -Parteichef Spindelegger kann keine Rede sein: Außer Landesorganisationen müssen vor allem die Bünde befriedet werden - mit teils absonderlichen Folgen.

Wien. Werner Amon als neuer ÖVP-Klubchef? Sicher nicht. Was vergangene Woche durch manche Medien geisterte, war von Anfang nur ein Gerücht. Denn Karlheinz Kopf bleibt aller Wahrscheinlichkeit nach Klubchef – ein Vertreter des Wirtschaftsbundes eben. Amon hatte schlicht keine Chance: nicht als ÖAABler und nicht als einer, der dem neuen Parteichef und Vizekanzler, Michael Spindelegger, nicht gerade nahe steht. Eher im Gegenteil: Spindelegger tauschte als angehender ÖAAB-Chef 2008 Amon als Generalsekretär des Arbeitnehmerbundes gegen Beatrix Karl aus; sie sollte nach der Ära Fritz Neugebauers und seines Generals Werner Amon frischen Wind – etwa in der Bildungspolitik – bringen. Nach einem Tief unter Parteichef Josef Pröll ist Karl als enge Vertraute Spindeleggers nun auch wieder als Wissenschaftsministerin oder gar als Justizministerin im Aufwind.

Am Fall Amon/Karl und Kopf lässt sich das Dilemma der ÖVP gut beschreiben: Ein persönlich „guter Draht“ zum Parteichef zählt, das ganz sicher. Ansonsten konnte und kann von freier Personalbestellung durch den starken Mann der Volkspartei aber keine Rede sein; entscheidend war und ist, was die Landesorganisationen wollen – und noch mehr, was die sechs Bünde wollen.

Friedensangebot an die Wirtschaft

Der ÖAAB mit seinen knapp 250.000Mitgliedern also, Amons und Karls Heimat, ist mit dem (nun scheidenden) ÖAAB-Chef Spindelegger bestens bedient; da muss im Gegenzug auch noch der Wirtschaftsbund mit seinen rund 100.000Mitgliedern „befriedet“ werden. Neben Kopf fix gesetzt ist offenbar der alte und neue Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, er könnte auch noch die Kompetenzen aus dem Familien-Staatssekretariat „erben“, das vermutlich aufgelöst wird.

Nicht zu vergessen der Bauernbund: Ihm könnte, so fern er dem Thema auch sein mag, das neue Integrations-Staatssekretariat zufallen, hieß es am Montag. Und zwar in Person des Rewe-Vorstands Werner Wutscher („Ja! Natürlich“). Absurd? Nicht, wenn man sich die jahrzehntelange Tradition und die rund 300.000Mitglieder des Bauernbundes vor Augen führt: Hier rekrutiert die ÖVP über die Landjugend ihre Mitglieder, hier trifft man sich auch noch nach Jahren, selbst wenn man nur (noch) Nebenerwerbsbauer ist und genauso gut dem Arbeitnehmer- oder dem Wirtschaftsbund beitreten könnte. Was aber mitunter teurer käme (etwa mit mehreren hundert Euro Jahresbeitrag für Vertreter von Großbetrieben).

Der Bauernbund ist und bleibt die eigentliche Stütze der ÖVP, so spielt es auch keine Rolle, dass die Bauern nur noch knapp vier Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Das Risiko, thematisch am größten Teil der Österreicher „vorbeizuproduzieren“, nimmt die Volkspartei offenbar in Kauf, sie achtet darauf, dass der Bauernbund stets viel Einfluss hat. Auch in der Regierung Werner Faymanns (SPÖ) mit dem bisherigen Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich – und eventuell dem Integrations-Staatssekretariat.

Und wo bleiben eigentlich, neben den ÖVP-Senioren (knapp 305.000Mitglieder), die Vertreter der Jungen ÖVP (rund 100.000 Mitglieder)? Wieder fällt das Wort „Staatssekretariat“. Und die ÖVP-Frauen (60.000Mitglieder)? Außer Karl soll es jetzt also die (bis Montagabend unbestätigte) neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner richten. Die kommt, wie Spindelegger, aus Niederösterreich.

Gute Zeiten für Erwin Pröll

Und das ist sicher kein Zufall. Denn außer den Bünden drängen den neuen ÖVP-Chef bei seinem Teambuilding die Länder, allen voran Niederösterreichs Erwin Pröll, Chef der (neben Wien) mächtigsten ÖVP-Landesorganisation. Der Westen hingegen jammert, weil er außer durch den Vorarlberger Kopf kaum auf Bundesebene präsent ist; Tirols Hannes Rauch als neuer Generalsekretär würde das ändern.

Ob so die Erneuerung der ÖVP gelingen werde – mit den Kriterien der Bünde/Länder vor der Kompetenz –, sei „zu bezweifeln“, sagen sogar eingefleischte ÖVPler. Spindelegger wünschen sie „viel Glück“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2011)

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