Walzertanzen mit Van der Bellen

Alexander Van der Bellen, ab 26. Jänner neunter Bundespräsident der Zweiten Republik, am Ende seines Statements – Fragen waren nicht vorgesehen.
Alexander Van der Bellen, ab 26. Jänner neunter Bundespräsident der Zweiten Republik, am Ende seines Statements – Fragen waren nicht vorgesehen.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Palais Schönburg, die Zweite: Im Mai ist Alexander Van der Bellen schon einmal hier gestanden, um sich an die Nation und die Welt zu wenden. Am Dienstag reichte er dem gegnerischen Lager dort erneut die Hand.

Der „Hausherr“ mit dem Van-der-Bellen-Anstecker am Revers begrüßte die Gäste: Journalisten aus dem In- und Ausland, Mitglieder von Van-der-Bellen-Komitees – einigen von ihnen fiel er freudig um den Hals – und letztlich den Bundespräsidenten in spe höchstselbst. Üblicherweise vermietet Leon Widecki, der Location-Manager, das barocke Palais im vierten Wiener Gemeindebezirk für Hochzeiten oder Firmenfeiern. Alexander Van der Bellen habe er es gratis – „gegen Spesenersatz“ – zur Verfügung gestellt. Aus Überzeugung.

Hier wurden im Lauf des Wahlkampfs immer wieder die neuen Plakatkampagnen präsentiert. Und hier stand Alexander Van der Bellen auch am 23. Mai, allerdings im Garten, um sich nach der Verkündung des Endergebnisses an die Nation und die Welt zu wenden. Zu früh, wie sich herausstellte.

Am Dienstagnachmittag tat er es erneut. Im Inneren des Palais. Flankiert von seinen engsten Wahlkampfmitstreitern Lothar Lockl, Reinhard Pickl-Herk, Nives Sardi und Martin Radjaby. Und ähnlich seiner Rede im Mai betonte er nun auch dieses Mal wieder das Gräbenzuschütten. Wobei er, Van der Bellen, das Land gar nicht so als gespalten wahrnehme. Ja, es habe einen Wahlkampf gegeben. Und Wahlkämpfe hätten es nun einmal so an sich, dass es sich um eine Auseinandersetzung handle, in dem es Standpunkte zu klären gelte. Und ja, es sei viel gestritten worden. Aber in welchem Wahlkampf werde nicht gestritten? „Ich sehe das grundsätzlich positiv“, so Van der Bellen.

„Respektables Ergebnis“ für Hofer

Dennoch versäumte es Alexander Van der Bellen auch am Dienstag nicht, der gegnerischen Seite die Hand zu reichen. Er werde für alle da sein, ein Bundespräsident für alle Österreicher sein, auch für die andere Hälfte. Seinem Kontrahenten Norbert Hofer zollte er ausdrücklich Respekt. Dieser habe ein respektables Ergebnis erreicht. „Und ich sollte selbst am besten wissen, wie viel Einsatz so ein Wahlkampf kostet.“

Wichtig sei der nötige Respekt, führte Van der Bellen weiter aus. Viele würden sich auch eine andere Gesprächskultur wünschen. Dies werde in seiner Amtszeit auch ein wichtiger Schwerpunkt sein. Verantwortlich dafür, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, seien die Politik, die Medien, vor allem die sozialen Medien.
Van der Bellen bemühte das Bild des Walzertanzes – die ausländischen Medienvertreter werden sich wohl über diese Erfüllung eines österreichischen Klischees gefreut haben: „Zum Walzertanz gehören zwei.“ Es brauche aber auch Takt. Und er würde sich wünschen, dass man künftig ohne Beschuldigungen vorab zivilisiert miteinander rede.

Für Heiterkeit sorgte Van der Bellen, als er den Umstand ansprach, dass er auf dem Dorf aufgewachsen sei, wovon manche vielleicht schon gehört haben. Und in seinem „damals sehr armen“ Dorf habe er erfahren, was man erreichen könne, wenn man zusammenhalte. In die „Hauptstädte und Dörfer“ wolle er auch jetzt seine Botschaft aussenden: dass eine Politik des Miteinander, die auf den gemeinsamen Werten Europas fuße, „nicht nur Sinn hat, sondern auch zum Erfolg führt“.

Alexander Van der Bellen will nun noch vor der Angelobung am 26. Jänner Gespräche mit den Vertretern der Regierung, mit den Landeshauptleuten, mit Bürgermeistern, mit führenden Exponenten von Gewerkschaft, Industrie und Kirche führen. Besondern hob er die Interessenvertreter der Bauern hervor. Auch sei er gerade dabei, seine internationalen Kontakte zu aktivieren. Heute, Mittwoch, trifft er in Wien UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon.

Er werde „nicht aus der Hüfte schießen“, sondern das Amt nach bestem Wissen und Gewissen ausüben, so der designierte Bundespräsident. Und Österreich nach außen bestmöglich vertreten. Ein Anliegen sei ihm, die Ungleichheit zwischen Mann und Frau endlich zu überwinden.

Keine Rede für die Geschichtsbücher

Es war keine Rede, die in die Geschichtsbücher eingehen wird. Es war mehr eine Geste der Versöhnung. Ein sanfter Einstieg in das Amt des Bundespräsidenten. Und wohl auch ein kleiner Ausblick, wie er es anlegen wird: konziliant, verbindlich, ausgleichend. Ein starker Macht-braucht-Kontrolle-Präsident wird Alexander Van der Bellen wohl nicht werden. Sondern eher das Modell Heinz Fischer – weniger schulterklopfend allerdings, dafür mit größerer Distanz zum (Partei-)Politikbetrieb.

Am Ende wurde Van der Bellen noch besinnlich: Der Advent sei eine Zeit des Friedens und der Versöhnung. „Das passt gut zum Abschluss dieses Wahlkampfs.“ Jeder Weg beginne mit dem ersten Schritt. „Tun wir nun die ersten Schritte.“ Sprach's, verneigte sich und eilte davon. Fragen beantworten wolle er erst nach der Angelobung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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