Sepp Schellhorn: Wahlkampf bei Kurz ums Eck

Sepp Schellhorn, der Wirt aus dem Salzburger Goldegg, Dienstagabend in einem Lokal in Wien Hietzing.
Sepp Schellhorn, der Wirt aus dem Salzburger Goldegg, Dienstagabend in einem Lokal in Wien Hietzing.(c) Akos Burg/ akosburg.com
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Er war einer der auffälligsten Abgeordneten der vergangenen Legislaturperiode: Nun kämpft Sepp Schellhorn (Neos) gegen Sebastian Kurz – und für eine Koalition mit der ÖVP.

Das Lokal ist gut gefüllt, alle Sitzplätze sind vergeben. Bürgerliches Publikum, ein Großteil Neos-Sympathisanten. Keine Aufbruchstimmung wie 2013, aber doch reges Interesse. Wie es aussieht, sind die Neos heute das, was sie 2013 noch nicht waren: ein etablierte Partei.

Sepp Schellhorn, ihr Wirtschafts- und Kultursprecher, macht Wahlkampf in der Waldemar Tagesbar in WienHietzing. Hier ist eigentlich das Revier der ÖVP, ihr Parteichef, Sebastian Kurz, wohnt gleich nebenan in Meidling, gilt vielen habituell aber als Hietzinger. Wem die ÖVP zu wenig fein ist, wer ihr die Reformbereitschaft nicht abnimmt, der tendiert hier zu den Neos. So würden sie es auch im bisherigen Wahlkampf erleben, erzählen Neos-Funktionäre in der Waldemar Tagesbar.

Sepp Schellhorn war selbst einmal bei der ÖVP. Als Gemeinderat im Salzburger Goldegg. In den vergangenen Jahren war er einer der auffälligsten, ja schillerndsten Abgeordneten der Neos. Pointierte Reden im Nationalrat einerseits, unbeabsichtigte Aufregungen andererseits. Auch sein Bart wurde im Lauf der Legislaturperiode immer länger.

Einmal musste sich Schellhorn bei der ÖVP-Abgeordneten Maria Fekter wegen einer Bemerkung über ihre Bikinifigur in jungen Jahren entschuldigen, ein anderes Mal nannte er die FPÖ eine „hässliche Braut“. Und als er vorrechnete, dass ein Flüchtling, dem er in seinem Hotel Arbeit gegeben hatte, lieber nach Wien gegangen sei, da dort die Mindestsicherung so hoch sei, zog er sich den geballten Unmut des linken Flügels der Austro-Twitteria zu.

Er versuche nun nicht mehr, überall anzustreifen, sagt Schellhorn. Sein „Leidensthema“, wie er es bei seinem Auftritt in Hietzing nennt, sei ohnehin ein anderes: der Kampf gegen die Kammerzwangsmitgliedschaft. „Die beste Interessenvertretung ist jene, die um ihre Mitglieder kämpfen muss.“ Wie die Hoteliervereinigung, der er – freiwillig – angehöre. „Wozu braucht die Wirtschaftskammer 40 Vizepräsidenten?“ Das fragen sich seine Zuhörer auch.

No-go Erbschaftssteuer

Kontroversieller wird es beim Thema Erbschaftssteuer. „Keine neuen Steuern“ lautet das Credo der Neos. Das verstehe er auch, sagt ein älterer Herr. Aber warum solle man nach den Wahlen nicht doch über eine Erbschaftssteuer für die Vermögenderen reden? Da ist er bei Schellhorn an den Falschen geraten: Denn dieser ist ein Gegner der Erbschaftssteuer ohne Wenn und Aber. Er illustriert das mit einem Vergleich zweier Brüder: Der eine verjuxe nach dem Motto „Hol dir, was dir zusteht“ das ganze Geld. Der andere spare es, damit seine Familie einmal ein besseres Leben habe. Zweiterer würde mit der Erbschaftssteuer bestraft.

Schellhorn berichtet auch vom Angebot des Sebastian Kurz: Dieser habe ihm einen Fixplatz auf seiner Liste angeboten – mit Aussicht auf den Posten des Wirtschaftsministers. Natürlich habe er darüber nachgedacht, erzählt Schellhorn. Letztlich habe er in einer schlaflosen Nacht aber das Bild des rückgratlosen Gartenschlauchs vor Augen gehabt, das er selbst dem zur ÖVP gewechselten Christoph Vavrik vorgehalten habe. „Ich hätte damit die Neos an die Wand geklatscht.“

Schellhorns Verhältnis zur ÖVP ist eine Art Hassliebe. Er spricht von den „Husarenritten“ des „Jüngeren“ der beiden Kanzlerkandidaten – Kurz erwähnt er namentlich nicht –, von dessen „Lüge, wenn er sagt, wir wollen jetzt alles ändern“. Vor allem im Westen, so Schellhorn, hätten die Unternehmer die unterschwellige bis offensichtliche Unterstellung der ÖVP, wie viel über die Betrugsbekämpfung bei den Unternehmern – Stichwort Registrierkasse – zu holen sei, nicht vergessen.

Allerdings: Eine Koalition der Neos mit der ÖVP ist Schellhorns erste Präferenz. Dass Kurz die Wahl gewinnt, ist für ihn klar: „Der Jüngere ist vorneweg, der andere steht an der Wand.“ Das Neos-Ziel ist daher die Zweistelligkeit. Damit sich Türkis-Pink eventuell auch außerhalb Hietzings ausgeht.

Und ja: Für Aufsehen könnte Schellhorn doch wieder einmal sorgen. Gestern schlug er Englisch als Amtssprache vor. In Österreich.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2017)

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