Der Kanzler und die Steuergerechtigkeit

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Der Steuerplan der SPÖ enthält keine großen Überraschungen. Dafür eine Reihe von luftigen Gegenfinanzierungen. Unter anderem die Idee, eine entstehende Lücke aus dem Budget, also auf Schulden, zu stopfen.

Wen. „Österreich entlasten – aber gerecht“ – unter diesem Slogan hat SPÖ-Chef Christian Kern am Freitag sein Steuerkonzept präsentiert. Es enthält keine wirklichen Überraschungen. Vieles davon kennt man in Grundzügen aus dem Plan A, den Kern schon zu Jahresbeginn veröffentlicht hat. Die Stoßrichtung: weniger Steuern auf Arbeit, weniger Lohnnebenkosten für die Unternehmen. Dafür Einführung einer Wertschöpfungsabgabe (unter anderem auf Mieten und Pachten) und Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Arbeitnehmer sollen unter anderem von einer Anhebung des Lohnsteuer-Grundfreibetrags von 11.000 auf 13.150 Euro im Jahr profitieren. Das würde bedeuten, dass auf den künftigen Mindestlohn von 1500 Euro im Monat und auf Pensionen bis 1300 Euro keine Lohnsteuer fällig würde.

Den meisten Lohnsteuerzahlern soll ein „gerechter Ausgleich der kalten Progression“ zugutekommen. „Gerechter Ausgleich“ heißt für Kern, dass diese jährliche versteckte Steuererhöhung nicht, wie im Kurz-Programm vorgesehen, abgeschafft, sondern nur – vor allem für die unteren Einkommenstufen – gemildert wird: Ab einer Inflationsschwelle von kumuliert fünf Prozent soll verpflichtend eine Steuerreform unter Berücksichtigung der „einkommenspezifischen Inflationswirkung“ durchgeführt werden. Mit anderen Worten: Die kalte Inflation würde weiterwüten wie eh und je, lediglich für niedrige Einkommen gäbe es alle paar Jahre eine Art Teilrückvergütung.

Und noch ein Gerechtigkeitsaspekt: Der derzeit bis 2020 befristete Spitzeneinkommenssteuersatz von 55 Prozent für Einkommensmillionäre soll unbefristet weitergelten. Der betrifft freilich ohnehin nur eine Handvoll Leute. Das alles hat man so oder so ähnlich schon irgendwo gehört.

Spannend wird es bei der Gegenfinanzierung. Immerhin kostet die Steuer- und Lohnnebenkostensenkung in Summe 5,3 Milliarden Euro. Dazu kommen noch alle paar Jahre eine Milliarde aus dem Teilausgleich der kalten Progression und 30 Millionen aus einer Negativsteuer für Mindestpensionisten.

Die Sache mit dem Konjunktureffekt

Gegenfinanzierungen von Ausgaben haben, das wissen wir aus der Vergangenheit, die Eigenschaft, nicht zu halten, was sie versprechen. Ein schönes Beispiel dafür liefert die Registrierkassenpflicht.

Im Kern-Modell sind zum Beispiel zwei Mrd. Euro Einsparungen aus einer Verwaltungsreform vorgesehen. Das ist zweifellos machbar – wenn man denn will. Diese Anmerkung ist deshalb wichtig, weil wir es hier mit dem Steuermodell einer Partei zu tun haben, die seit zehn Jahren den Bundeskanzler stellt. Und diese Verwaltungsreform seither (gemeinsam mit dem Regierungspartner ÖVP, dessen Programm das auch enthält) ambitionslos vor sich hergeschoben hat.

Zwei Milliarden ließen sich bei gutem Willen also realistisch gegenfinanzieren. Für die restliche 3,2 Milliarden sieht es weniger gut aus. Die sollen nämlich durch die genannte Wertschöpfungsabgabe auf Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten, durch eine Verschärfung der Konzernbesteuerung und durch 800 Millionen Euro Konjunktureffekt hereingebracht werden.

Ein frommer Wunsch: Die Wertschöpfungsabgabe wird mit beiden möglichen Koalitionspartnern schwer umzusetzen sein. Die Verschärfung der Konzernbesteuerung (siehe auch Seite 6) wäre angesichts der scheunentorgroßen Lücken in diesem Bereich wünschenswert, wird aber autonom (ohne größere EU-Regelung) wohl nur viel Lärm um nichts bringen und der Konjunktureffekt: na ja!

Den Konjunktureffekt gibt es natürlich. Brummt die Wirtschaft, dann sprudeln die Steuereinnahmen. Zwar wird die Konjunktur auch von Regierungsmaßnahmen beeinflusst. Aber eben nicht nur. Kommt es zu einer internationalen Konjunkturabschwächung, dann ist der Konjunktureffekt schnell dahin. Man sollte mit diesem Effekt also sehr vorsichtig kalkulieren. Am besten hält man ihn neutral und freut sich im Fall des Falles über positive Überraschungen. Aber es ist Wahlkampf. Und da wirft man mit Zahlen eben einfach so herum. Der Plan A arbeitet mit 2,45 Milliarden Euro Konjunktureffekt, das Konzept der Liste Kurz gar mit vier bis fünf Milliarden. Beides sind völlig unrealistische Luftnummern. In seinem Steuerkonzept nimmt Kern nur noch 800 Millionen Konjunktureffekt an. Ist das „konservativ“, wie der SPÖ-Chef meint? Kann sein – oder auch nicht. Eine Basis für eine seriöse Budgeterstellung sind solche Werte jedenfalls nicht.

Übrigens: Die Lohnnebenkostensenkung (Halbierung des Beitrags zum Familienlastenausgleichsfonds) soll teilweise auch aus dem Budget „gegenfinanziert“ werden. Nachdem dort seit 50 Jahren die verlässlichste Konstante das Defizit ist, also mittels zusätzlicher Staatsschulden. Das sieht wenig nachhaltig aus.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2017)

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