Plenarsitzung: „Wünsch Dir was“ im Nationalrat

Premiere: Am Mittwoch wird der Nationalrat im großen Redoutensaal der Wiener Hofburg tagen.
Premiere: Am Mittwoch wird der Nationalrat im großen Redoutensaal der Wiener Hofburg tagen.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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SPÖ mit FPÖ, ÖVP mit FPÖ, SPÖ mit Grünen, Neos und „Wilden“ – am Mittwoch beginnt das freie Spiel der Kräfte im Nationalrat. Die Parteien haben viele Anliegen.

Wien. Was wollte man schon immer einmal umsetzen, konnte es aber aus Koalitionsdisziplin nicht? In den Schubladen von SPÖ und ÖVP liegen lange Listen – von der Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten bis zu einem Sicherheitspaket – und am Mittwoch wird man diese Schubladen öffnen. Im Nationalrat beginnt das freie Spiel der Kräfte, und das wollen nicht nur die Regierungsparteien nützen, sondern auch die Opposition.

FPÖ, Grüne und Neos versuchen mit eigenen Anträgen, SPÖ oder ÖVP zum „fremdgehen“ zu verlocken. Beispielsweise die ÖVP mit einem Antrag zur Abschaffung der kalten Progression, gegen die sich die SPÖ gewehrt hatte. Wobei die Volkspartei dem Regierungspartner auch nach dem Bruch der Koalition die Treue schwört: Man wolle die SPÖ im Nationalrat nicht überstimmen, wurde im Vorfeld der Sitzung erklärt. Die SPÖ dagegen bereitet mehrere Maßnahmen vor und hofft auf Zustimmung der Mandatare.

Etwa die Abschaffung der Unterschiede bei Arbeitern und Angestellten. Für die beiden Berufsgruppen gelten beispielsweise noch immer unterschiedliche Kündigungsfristen und Krankenstandsregeln. Die SPÖ möchte die Gleichstellung und hofft auf Unterstützung der Volkspartei. Auch die Grünen unterstützen diese Forderung.

Sehr konkret sind die Pläne der sozialdemokratischen Partei bei Gruppenklagen von Konsumenten, eine wesentliche Frage für das Vorgehen von Betroffenen beispielsweise gegen Volkswagen wegen des Dieselbetrugs. Die ÖVP hatte bei Gruppenklagen gebremst und darauf verwiesen, dass die aktuelle Gesetzeslage genüge (Kläger treten ihre Ansprüche an den VKI oder die Arbeiterkammer ab, die die Gruppenklage führen). SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder meinte gestern, Dienstag, recht deutlich: Man habe einen fixfertigen Gesetzesvorschlag zur Ermöglichung von Gruppenklagen und werde das Gespräch mit der ÖVP suchen. Aber man werde in der Frage Mehrheiten finden – „mit oder ohne ÖVP“. Die Grünen sind jedenfalls dafür.

SPÖ gegen Bankomatgebühr

Ein großes und heikles Thema auf Seiten der ÖVP ist das Sicherheitspaket, das in der Regierung am Widerstand von Teilen der SPÖ gescheitert ist. Das Paket sieht unter anderem mehr Video- und Onlineüberwachung vor. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will das Paket nun wieder in den parlamentarischen Prozess einbringen. Da man die SPÖ nicht überstimmen will, bleiben aber nur weitere Verhandlungen mit dem Noch-Regierungspartner. Seitens der SPÖ stellte man jedenfalls bereits fest, dass es noch erheblichen Diskussionsbedarf gebe.

Kleinere Wünsche betreffen das Bargeld. Die Volkspartei hätte es gerne in der Verfassung festgeschrieben, um so sicherzustellen, dass die Österreicher immer mit Bargeld bezahlen können. Die SPÖ hätte wiederum gerne, dass die Österreicher dieses Bargeld immer kostenlos bei Bankomaten beziehen können – und will ein Verbot von Bankomatgebühren.

Änderungen könnte es auch beim Tierschutzgesetz geben. Seit Juli dürfen Tiere nur noch von österreichischen Tierheimen im Internet angeboten werden. Die Maßnahme soll den illegalen Welpenhandel vor allem aus dem Ausland unterbinden, führt aber in der Praxis dazu, dass unerwünschte Haustiere zunehmend ausgesetzt werden. Die Grünen fordern eine Reform, SPÖ und ÖVP haben eine Reparatur grundsätzlich zugesagt und verhandeln über eine Lösung.

Interessant wird es bei zwei Fragen, bei denen die FPÖ und die Neos die ÖVP dazu bringen wollen, doch gegen die SPÖ zu stimmen. Die Freiheitlichen wollen die erhöhte Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen von 13 Prozent kippen, die vor der Steuerreform zehn Prozent betragen hatte. ÖVP-Chef Sebastian Kurz hatte kürzlich die Rücknahme der Erhöhung unterstützt.

Pensionen werden erhöht

Ebenso locken FPÖ und Neos die Volkspartei mit der Abschaffung der kalten Progression, also der automatischen jährlichen Steuererhöhung, weil die Gehälter steigen, aber die Höhe der Steuerstufen gleich bleiben. Die ÖVP möchte eine automatische Anpassung aller Steuerstufen an die Inflation, die SPÖ wollte die Anpassung nur bei den zwei untersten Steuerstufen.

Komplex wird die Frage des Mietrechts, das die SPÖ noch schnell neu regeln will. Die Zeit dafür bis zur Wahl ist knapp, Grüne und FPÖ haben aber ihre grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Der Beschluss anderer Themen ist Formsache, wie die Erhöhung der Pensionen. Im August haben sich SPÖ und ÖVP geeinigt, die Pensionen gestaffelt anzuheben: bis 1500 Euro soll es 2,2 Prozent geben, bis 2000 Euro pauschal 33 Euro monatlich. Und bis 3355 Euro wird zumindest die Inflationsrate (plus 1,6 Prozent) abgedeckt. Die Grünen möchten bei Mindestpension und Anrechnungszeiträumen Änderungen und hoffen auf die SPÖ.

Der Sitzung des Nationalrats am Mittwoch folgt eine weitere am 12. Oktober – drei Tage vor der Nationalratswahl. (rie/APA)

Auf einen Blick

Der Nationalrat kommt am Mittwoch zur ersten Sitzung außerhalb des Parlaments zusammen. Getagt wird im großen Redoutensaal in der Hofburg. Nach dem Bruch der Koalition gilt im Plenum das freie Spiel der Kräfte, wobei die ÖVP dem Koalitionspartner im Vorfeld die Treue geschworen hat: Man wolle die SPÖ nicht überstimmen, hieß es. Die Sozialdemokraten bereiten dagegen mehrere Punkte vor, bei denen sie auf die Unterstützung der Oppositionsparteien gegen die ÖVP hoffen: Etwa bei der rechtlichen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten oder der Ermöglichung von Sammelklagen. Der  Nationalratssitzung am Mittwoch folgt eine weitere am 12. Oktober – drei Tage vor der Wahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2017)

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