Silberstein-Affäre: Kern will von nichts gewusst haben

Bundeskanzler Christian Kern
Bundeskanzler Christian Kern(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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SPÖ-Chef Kanzler Kern will ebenso wenig von der Schmutzkübelkampagne aus Silbersteins Büro gewusst haben wie der bereits zurückgetretene SPÖ-Bundesgeschäftsführer. Kern verspricht Aufklärung.

Wien. Dass es den Kanzler beutelt, wurde am Sonntag auch physisch sichtbar. Mit zitternden Händen trat Christian Kern in einer eilig einberufenen Pressekonferenz vor Journalisten, um zu erklären, was er schlussendlich nicht erklären konnte: Warum aus dem Büro seines zwischenzeitlich verhafteten Exberaters Tal Silberstein Dirty Campaigning gegen den ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz betrieben wurde. Wie „Die Presse am Sonntag“ berichtete, wurden dort die beiden Facebook-Seiten „Wir für Sebastian Kurz“ und „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ konzipiert und bespielt. Auf den Seiten fanden sich auch rassistische und antisemitische Kontexte. Sie waren bis vergangenen Samstag aktiv.

Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler zog bereits am Samstag Konsequenzen und trat mit sofortiger Wirkung zurück – er betonte noch einmal, nichts von den Schmutzkübelkampagnen gewusst zu haben, und sprach von einem „Parallelwahlkampf“. Laut „Presse“-Informationen waren tatsächlich nur sehr wenige Parteimitglieder eingeweiht. Einer davon war aber Niedermühlbichlers Mitarbeiter Paul Pöchhacker. Er war im Wahlkampf Bindeglied zu Silbersteins Büro und übernahm nach dessen Ausscheiden seine Agenden – er war in die Planung und Bespielung der Seiten involviert.

Theoretisch hat Pöchhacker zwei Vorgesetzte, von denen zumindest einer das Vorgehen absegnen müsste: einerseits den Bundesgeschäftsführer, also Niedermühlbichler – und der will eben von nichts gewusst haben. Der andere wäre der Parteichef, also Christian Kern. Aber auch dieser will unwissend sein, wie er am Sonntag in einem hastig vorgetragenen Statement beteuert. Er habe weder von den Seiten gewusst, noch kann er sich erklären, wie sie finanziert wurden.

Versprochene Transparenz

Kern versprach, eine Taskforce unter der Leitung des SPÖ-Nationalratsabgeordneten Christoph Matznetter einzusetzen, die nun für volle Aufklärung und Transparenz sorgen soll. Dazu will er den Vertrag zwischen der SPÖ und Silberstein offenlegen. Matznetter übernimmt mit Frauenbundesgeschäftsführerin Andrea Brunner die interimistische Bundesgeschäftsführung.

Er habe schon vor einiger Zeit festgestellt, dass das Engagement Silbersteins ein „erheblicher Fehler“ gewesen sei. „Unser Vertrauen wurde missbraucht.“ Dass ein SPÖ-Mitarbeiter von einer Schmutzkübelkampagne gegen einen Mitbewerber gewusst habe, sei laut Kern nicht akzeptabel.

Relevant sei für Kern auch die Frage, warum es sich bei den involvierten Mitarbeitern Silbersteins um langjährige Mitarbeiter anderer Parteien handelt. Kern sprach von „illoyalen Querverbindungen“. Angespielt hat er dabei wohl auf Politikberater Peter Puller, der federführend für die Inhalte auf den Facebook-Seiten zuständig war. Er arbeitete bereits für die ÖVP und die Neos. Dort lernte er im Gemeinderatswahlkampf 2015 Tal Silberstein kennen, der damals für die Pinken arbeitete. Puller führte die Seiten auch nach Silbersteins Verhaftung Mitte August weiter. Angeblich, weil es zu auffällig gewesen wäre, gleich nach der Verhaftung damit aufzuhören. Dass Kern die Loyalität von Mitarbeitern, die einmal bei einer anderen Partei waren, nun infrage stellt, ist insofern beachtlich, als er sich selbst genug ins Haus geholt hat: Da wäre etwa die Ex-Neos-Funktionärin Maria Maager, die das Personenkomitee für ihn organisieren sollte. Auch Victoria Soelle war bei den Neos, nun ist sie Referentin im Kanzlerkabinett. Kerns Kampagnenleiter Johannes Vetter war Funktionär beim Liberalen Forum (LIF).

Kern distanzierte sich zwar von der Schmutzkampagne, eine an Kurz gerichtete Entschuldigung gab es nicht. Man bittet aber auch nur um Verzeihung, wenn man sich für etwas verantwortlich fühlt.

Der Berater

Tal Silbersteins Engagement für den SPÖ-Wahlkampf war von Anfang an umstritten – Ex-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler sprach sich etwa dagegen aus, denn bereits Anfang des Jahres gab es Gerüchte, dass gegen ihn wegen Korruption ermittelt wird. Mitte August wurde er dann in Israel verhaftet; er darf derzeit das Land nicht verlassen. Paul Pöchhacker übernahm seine Agenden, Silbersteins Team arbeitete teils weiter.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2017)

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