SPÖ: "Sind mitten in einem Tsunami aufgewacht"

 Christoph Matznetter
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Interims-Geschäftsführer Matznetter verspricht auch externe Aufklärung in der Causa Silberstein, deutet aber wie Parteichef Kern eine Verantwortung der politischen Konkurrenz an. Die ÖVP ortet "Opfer-Täter-Umkehr".

SPÖ-Interims-Geschäftsführer Christoph Matznetter verspricht in der Affäre um Dirty Campaigning volle Aufklärung und Transparenz. "Wir sind mitten in einem Tsunami aufgewacht", sagte er am Montag im Ö1-Morgenjournal. Er erhofft sich noch vor der Wahl Ergebnisse der Prüfung der Vorgänge rund um den ehemaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein. Auch Externe sollen beigezogen werden und das Rechnungswesen der Partei "lückenlos kontrollieren".

Wie die "Presse" aufgedeckt hat, wurden aus dem Büro Silbersteins die beiden Facebook-Seiten „Wir für Sebastian Kurz“ und „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ konzipiert und bespielt, auf denen sich rassistische und antisemitische Inhalte befanden. 

Matznetter entschuldigte sich "bei den Menschen, denen Demokratie ein Anliegen ist" und insbesondere bei den eigenen Wahlhelfern. Gleichzeitig deutete er aber - wie zuvor bereits Parteichef Christian Kern - an, dass die Verantwortung für die schmutzigen Facebook-Kampagnen womöglich bei der politischen Konkurrenz liege. "Ich glaube nicht immer an Zufälle", betonte Matznetter. Man müsse sich in der Kriminalisitik immer fragen: "Wem nutzt es?" Das seien hier jedenfalls nicht Kern oder die SPÖ, sondern "der politische Mitbewerb". Es stelle sich die Frage: "Ist hier von langer Hand etwas vorbereitet worden?"

Vorwürfe gegen Kurz

Besonders "sonderbar" findet Matznetter, dass die Facebook-Seiten offenbar auch noch weiter betrieben worden seien, nachdem die SPÖ die Zusammenarbeit mit Silberstein wegen dessen Festnahme beendet habe. Er spielte außerdem darauf an, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz in der ATV-Elefantenrunde am Sonntag gesagt hatte, dass Silberstein in Wien ein Büro mit zwölf Mitarbeitern aufgebaut habe. "Das stand nirgends", wiederholte Matznetter den Vorwurf Kerns bei der Debatte, dass Kurz über "Insiderwissen" verfüge. Tatsächlich dürfte es sich übrigens um "ein halbes dutzend" Mitarbeiter gehandelt haben und Kurz diese Info missverstanden haben.

Matznetter hat nach dem Rücktritt von Georg Niedermühlbichler gemeinsam mit Andrea Brunner vorübergehend die SPÖ-Bundesgeschäftsführung übernommen.

ÖVP fordert "Aufklärung statt Vertuschung"

ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger forderte am Montag "echte Aufklärung statt Vertuschung" und eine Entschuldigung von Bundeskanzler Kern. Matznetter warf sie vor, "Opfer-Täter-Umkehr" zu betreiben. "Bedauerlicherweise hat Bundeskanzler Christian Kern nicht die Größe, sich bei uns zu entschuldigen. Er sollte es aber jedenfalls bei allen Menschen tun, die getäuscht wurden, und allen, die rassistisch und antisemitisch diffamiert wurden, allen voran die Israelitische Kultusgemeinde", erklärte Köstinger. Der Rücktritt von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler könne nur ein erster Schritt sein.

Die ÖVP-Generalsekretärin bekräftigte ihre sieben Fragen an SPÖ-Chef Kern und will wissen, ob die Dirty Campaigning-Aktivitäten Silbersteins jemals in seiner Anwesenheit besprochen wurden, wer in der SPÖ davon gewusst , welche Mitarbeiter Silbersteins noch beschäftigt werden und ob möglicherweise Vorfeldorganisationen mit Silberstein an "Dirty Campaigning" arbeiteten. Außerdem will Köstinger wissen, warum Matznetter die Causa aufklären soll und kein parteiunabhängiger Experte.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ortete am Montag einen "neuen politischen Tiefpunkt" der SPÖ. Kurz sei auf "besonders perfide Art angegriffen worden", fordert auch er Antworten, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung.

Tiroler SPÖ-Chefin kritisiert Wahlkampfperformance

Unzufrieden mit der Performance der eigenen Partei im Wahlkampf zeigt sich Tirols SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik. "Ich habe mich in den vergangenen Monaten schon mehrmals gewundert, auf wie vielen Ebenen hier mitgemischt wurde", kritisierte sie gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" (Montag-Ausgabe) unabhängig von der Affäre Silberstein. Ein Wahlkampf könne schließlich nur mit klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten funktionieren. Und das sei lange nicht der Fall gewesen, so die Kritik. "Die Inhalte passen und Bundeskanzler Christian Kern bezieht ebenfalls klare Positionen", betonte Blanik. Doch der Wahlkampf sei schon die ganze Zeit holprig verlaufen. "Und wenn es einmal nicht läuft, dann läuft es richtig nicht".

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) bezog im Ö1-„Mittagsjournal“ Stellung zur Causa. „Ich bin empört, ich halte diese Form von Dirty Campaigning, von antisemitischen Bereichen für verabscheuungswürdig.“ Für ihn sei das, „das Schlimmste, das man tun kann“. Vor allem tue es ihm um die ehrenamtlichen Mitarbeiter der SPÖ leid, so der Landeshauptmann, der am Montag selbst och auf Hausbesuche gehen will, um „selbst dafür einzustehen, dass die SPÖ unter meiner Führung so etwas niemals tun wird und niemals getan hat“. Er halte es in den letzten Whalkampftagen mit Hans Krankl, der einst gesagt habe: „Wir haben keine Chance, aber gerade die werden wir nutzen.“

Lückenlose Aufklärung forderte im ORF-Radio auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) – und nährte zugleich Spekulationen: „Da sind viele Zufälle, an Zufälle glaube ich nicht, sondern da steckt auch von anderen politischen Parteien – oder von einer politischen Partei – eine Strategie dahinter.“ Wen genau er damit meine? Niessl: „Naja, es hat ja auch die Diskussion gezeigt, dass Sebastian Kurz bei der Frage, ob er Tal Silberstein kennt, ausgewichen ist. Dass es unter Umständen auch Mitarbeiter dort gegeben hat, die für die ÖVP gearbeitet haben. Da kam auch keine klare Antwort.“

>>> Bericht im Ö1-"Morgenjournal"

>>> Bericht im Ö1-"Mittagsjournal"

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(Red./APA)

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