Strache, der strahlende Dritte?

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat sich für diesen Wahlkampf neu erfunden. Hier auf dem Weg zum TV-Duell gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Sonntagabend auf Puls4.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat sich für diesen Wahlkampf neu erfunden. Hier auf dem Weg zum TV-Duell gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Sonntagabend auf Puls4. (c) APA/AFP/JOE KLAMAR
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Ist die Wahl bereits gelaufen? Hat die Causa Silberstein dem Wahlkampf eine Wendung gegeben? Eine – vorsichtige – Prognose fünf Tage vor der Nationalratswahl am kommenden Sonntag.

Prognosen sind bekanntlich schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Auch die nähere. Dennoch wollen wir fünf Tage vor der Nationalratswahl am kommenden Sonntag einen Versuch unternehmen.

Rein rational betrachtet müsste die Sache wie folgt ausgehen: Die vom Silberstein-Skandal erschütterte SPÖ verliert. Die Grünen profitieren, da etliche ihrer Stammwähler, die überlegt haben, Christian Kern zu wählen, um Sebastian Kurz zu verhindern, nun aus moralischen Gründen doch wieder zu den Grünen zurückkehren.

Und der strahlende Dritte wäre überhaupt Heinz-Christian Strache mit seiner FPÖ. Da nicht nur die SPÖ in den eigenen Schmutzkübel gestolpert ist, sondern mittlerweile auch die ÖVP irgendwie angepatzt ist, worauf wiederum die Sozialdemokraten bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Nachdruck hinweisen. Und vielleicht fällt aufgrund dieser Umstände ja auch noch etwas für die Neos ab.

Solidarisierungseffekt mit SPÖ-Chef

Doch so einfach wird es wohl nicht werden. Nicht nur in den sozialen Medien, auch im richtigen Leben ist so etwas wie ein Solidarisierungseffekt mit Christian Kern, dem bedrängten SPÖ-Vorsitzenden, auszumachen. Nicht nur Kern selbst, auch viele seiner Anhänger sehen ihn als Opfer. Vorige Woche, bei seinen Auftritten in der Obersteiermark, war nicht nur der Andrang groß, sondern auch der Applaus für ihn war demonstrativ und lang anhaltend. Mit der Einschränkung, dass es sich hierbei zum überwiegenden Teil wohl um eingefleischte Parteigänger der SPÖ handelte.

So lassen sich auch Kerns aggressive (TV-)Auftritte in den vergangenen Tagen – heraus stach dabei vor allem das Puls4-Duell gegen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz – deuten: Der SPÖ-Vorsitzende versucht, die SPÖ-Anhänger zu mobilisieren. Da soll nicht nur das Schwarz-Blau-Schreckgespenst helfen, sondern auch die Eigenstilisierung zum Opfer der wahren Mächtigen in Medien und Wirtschaft dieses Landes.

Keine Taktik für Wechselwähler

Wechselwähler wird Christian Kern mit dieser Taktik wohl keine mehr gewinnen. Die Frage ist also: Reicht die SPÖ-Stammwählerschaft für ein achtbares Ergebnis? Und wie groß ist dieses im Jahr 2017? Man sollte dabei nicht vergessen, dass selbst der vergleichsweise unattraktive Werner Faymann bei der Nationalratswahl 2013 immerhin 26,8 Prozent der Stimmen erreicht hat.

Und laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM (1000 Befragte), die am Sonntag im „Kurier“ veröffentlicht wurde, käme die SPÖ wieder auf diese 27 Prozent. Die Grünen könnten wider Erwarten nicht profitieren, sie grundeln bei vier Prozent herum. Dasselbe gilt für die Liste Pilz. Stattgefunden hat die Umfrage teilweise vor und teilweise nach jenem Wochenende, an dem die Affäre um die Facebook-Seiten des von der SPÖ angeheuerten Beraters Tal Silberstein publik wurden. Allerdings ist die Frage, inwieweit diese bereits ins Bewusstsein der befragten Wähler eingesickert ist.

Für Meinungsforscher Peter Hajek sind Vorhersagen dieses Mal heikler als sonst: „Es ist in den letzten zwei Wochen vor einer Wahl noch nie so viel passiert wie jetzt.“

Eines ist jedenfalls offensichtlich: Sebastian Kurz' ÖVP wird in allen Umfragen seit Monaten stabil auf Platz eins ausgewiesen. Er hat einen signifikanten Vorsprung, aber keinen, der ihm den ersten Platz schon absichern würde – wie es etwa in Deutschland bei Angela Merkels CDU der Fall war.

Kurz selbst rief am Sonntagabend auf Puls4 schon das Kanzlerduell mit Heinz-Christian Strache aus. Nicht ganz ohne Hintergedanken: So könnte Kurz auch noch liberale Wähler, die Angst vor einem Kanzler Strache haben, für sich gewinnen.

Überraschung des Wahlkampfs

Und Strache ist tatsächlich die Überraschung dieses Wahlkampfs – jedenfalls einmal von der Anmutung her: Er gibt sich gereift, charmant, staatsmännisch, verpackt – ähnlich wie Kurz – harte Botschaften in sanftere, in seinem Fall auch humorvolle Töne. Was sich auch in den FPÖ-Wahlwerbevideos zeigt. Allerdings ist hierbei die Frage: Macht sich diese neue, sympathischere Art auch in Wählerstimmen bezahlt? Denn ihre Erfolge hat die FPÖ bisher immer mit der gegenteiligen raueren Masche gefeiert.

Wie gesagt: Prognosen sind schwierig. Selbst wenn sie die nähere Zukunft betreffen.

Nationalratswahl 2017

Die Nationalratswahl findet am 15. Oktober 2017 statt. Bundesweit treten zehn Listen an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos, Liste Pilz, Weiße, FLÖ, KPÖ PLUS, GILT.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2017)

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