Kern: "Wer weiter Misstrauen schürt, hat Lektion nicht gelernt"

SPÖ-Chef Christian Kern
SPÖ-Chef Christian Kern REUTERS
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Der Kanzler war in seiner Rede vor den Parlamentariern für Zusammenhalt und eine aktive inhaltliche Politik. Die ÖVP riet dem SPÖ-Chef, "vor der eigenen Tür zu kehren". FPÖ-Chef Strache ortete in Kerns Ansprache den "Witz des Tages".

Drei Tage vor der Nationalratswahl hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) eine Erklärung vor dem Nationalrat abgegeben, in der er für Zusammenhalt und eine aktive inhaltliche Politik warb. In seiner 7,5-minütigen Ansprache mahnte der rote Spitzenkandidat eine Verantwortung für die politische Kultur in Österreich ein: "Wer weiter Misstrauen schürt, hat seine Lektion nicht gelernt." Politische Debatten müssten von Achtung gegenüber dem anderen geprägt sein. Man brauche eine Kultur, die von Argumenten und inhaltlicher Substanz geprägt sei und die das Land verbinde, statt es zu spalten.

Große Aufgaben stünden für die Politik nach den Wahlen bevor, die es gemeinsam zu lösen gelte, wiederholte Kern, was Bundespräsident Alexander Van der Bellen in den vergangenen Tagen bereits betont hatte. Schon jetzt könne man erste Schritte setzen, etwa in der heutigen Sitzung den Beschluss einer Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten, folgte darauf ein zentraler Punkt des roten Wahlkampfprogrammes.

Strache: "Das war fast Kabarett, das war skurril"

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache gab sich amüsiert ob des Vortrags: "Das war fast Kabarett, das war skurril, das war eigentlich der Witz des Tages." Kern spreche von Verantwortung für Österreich, nachdem er Dirty Campaigning auf Kosten der Steuerzahler betrieben habe: "Heute muss man fast schon dem Werner Faymann ein paar Tränen nachweinen."

Weiters wurde Kern von Strache vorgeworfen, sich vor Verantwortung zu drücken. Nicht einmal für die "Bonzen-Schutzmauer" im Regierungsviertel sei der Kanzler eingestanden und einen Manager-Test in der "Kronen Zeitung" habe er nach 34 Minuten abgebrochen, weil er überlastet gewesen sei. Den Konter der SPÖ trug Klubchef Andreas Schieder vor. In Richtung der Freiheitlichen meinte er: "Alle, die mit ihnen unter einer Decke gesteckt sind und alle ausgesackelt haben, wie sie an der Macht waren, werden verhaftet." Dies hielt die FPÖ nicht ab, wenig später einen Misstrauensantrag gegen Kanzler Kern einzubringen.

ÖVP an Kern: "Kehren sie vor der eigenen Tür"

ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger spottete, dass der SPÖ-Chef gescheiter eine Parteiaktion am Viktor-Adler-Markt machen hätte sollen statt hier im Nationalrat. In Richtung Kanzler meinte er in Sachen Dirty Campaigning: "Kehren sie vor der eigenen Tür und räumen sie zusammen." Schließlich habe Kern "den schmutzigsten Wahlkampfmanager weltweit" in seine Partei geholt. Dass die Volkspartei diversen Beschlüssen in der heutigen Sitzung nicht zustimmt, begründete Wöginger damit, dass man nicht bereit sei, Husch-Pfusch-Gesetze mitzutragen. Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bedauerte wiederum, dass so manch anderer Beschluss wegen der SPÖ nicht mehr gefällt werden konnte, speziell das Sicherheitspaket.

Verärgert über die Rede des Kanzlers zeigte sich auch Grünen-Klubchef Albert Steinhauser. Es sei schade, dass hier das Recht des Regierungschefs, jederzeit eine Erklärung im Nationalrat halten zu können, für den Wahlkampf missbraucht werde. Für die Grünen warb er derart, dass seine Partei immer Wert auf politische Kultur gelegt habe, ganz im Gegensatz zu SPÖ, ÖVP und FPÖ: "An diesen Parteien ist nichts echt. Wir stehen für authentische Politik." Die Grünen stellten sich ausschließlich in den Dienst der Bürger und nicht der Großspender. Die drei anderen Parteien versänken derweil im Wahlkampf-Sumpf.

Sehr friedlich gab sich hingegen Neos-Obmann Matthias Strolz. Aus seiner Sicht ist es gut, dass der Wahlkampf jetzt zu Ende gehe: "Die ganze Republik hat langsam genug." Für die Zukunft meinte Strolz, dass man zu einem ganz anderen Stil des Zusammenarbeitens kommen müsse. Die Neos würden sich dabei für ihre Allianz für Freiheit und Verantwortung stark machen: "Inhalt statt Intrige, Freiheit statt Filz, Tempo statt Taktik."

Abstimmungsgroteske nach Kerns Rede

Doch nicht nur Kerns Ansprache missfiel den Abgeordneten, auch, dass er plötzlich nicht mehr da war. Es folgte eine Grotske: Die Grünen ließen nämlich abstimmen, ob der Kanzler zur Debatte geholt werden sollte. Schieder warf daraufhin ein, dass Kern durch Staatssekretärin Muna Duzdar ordentlich vertreten sei. An der Abstimmung änderte das nichts. Alle vier anderen Fraktionen und die freien Mandatare sprangen auf, um Kern herholen zu lassen, woraufhin sich sogar die roten Abgeordneten aus ihren Sesseln erhoben.

Reale Auswirkung hatte das keine. Denn unmittelbar danach wurde die Debatte zur Kern-Erklärung für die Aussprache zur "Dringlichen Anfrage" unterbrochen. Der Kanzler konnte somit vorerst fern bleiben.

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(APA/Red.)

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