Der schönste Ort der Demokratie: Eine Hommage an die Wahlkabine

Man darf sogar seinen Hund mitbringen, wenn er den Ernst der Handlung nicht stört.
Man darf sogar seinen Hund mitbringen, wenn er den Ernst der Handlung nicht stört.(c) REUTERS (ERIC GAILLARD)
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Es ist fraglich, wie lange das Idyll des Sonntagsspaziergangs zum Wahllokal noch existieren wird. Zeit für eine Würdigung des kargen Holzgestells, das uns zu freien und mündigen Wählern macht: Die Wahlkabine, das Refugium der geheimen Wahl, in dem wir unser Staatsbürgertum ernst nehmen.

Wollen wir unbeobachtet sein, gehen wir in die Kabine, sie verbirgt das, was wir darin tun, vor dem Blick der Mitmenschen. Am häufigsten tun wir dies im Dienst der Körperreinigung, früher zog man sich öfter auch in eine Telefonzelle oder zum reuevollen Zwiegespräch mit dem Priester in einen Beichtstuhl zurück. Wo die erste Kabine stand, wissen wir nicht, klar ist nur die Herkunft des Wortes: Die capanna bezeichnete im Spätlateinischen die Hütte der Weinbergshüter. Alle paar Jahre hat eine andere Art von Kabine Konjunktur, sie steht dann in Schulen, Seniorenwohnheimen oder Sportzentren und hütet unser Wahlgeheimnis. Rechtlich gesehen ist es eine Wahlzelle, in der der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet und unbeeinflusst ausfüllen, falten und in ein Kuvert stecken kann, rein materiell betrachtet ist es eine paraventartige Tisch- oder Stehwahlkabine.
Erstmals wurde eine Wahlkabine 1856 in der britischen Kolonie Victoria in Australien genutzt, seither heißt die demokratische Dreieinigkeit aus Wahlzelle, Wahlzettel samt Kuvert und Urne „Australian Ballot“. Das standardisierte Procedere wanderte über England (1872) und Belgien (1877) nach Deutschland und Frankreich, wo es 1914 ankam.

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