SPÖ: Opposition oder Regierung – das ist die Frage

SPÖ-Chef Kern
SPÖ-Chef KernAPA/ROLAND SCHLAGER
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An der Oberfläche freut sich die SPÖ über den zweiten Platz. Darunter bahnt sich ein Richtungsstreit an. Aber kein Parteichef-Wechsel.

Wien. Zu guter Letzt – man kann es kaum glauben – überwog in der SPÖ die Freude über Platz zwei. Die Umfragen, die noch am Samstagabend durch die politische Arena geisterten und Christian Kern Chancen auf den ersten Platz prognostizierten, seien von der ÖVP gezielt gestreut worden, heißt es in der SPÖ. Um die eigenen Anhänger zu mobilisieren.

In Wahrheit zitterte die SPÖ die ganze Zeit um Platz zwei – den sie am Ende knapp gegen die Freiheitlichen verteidigte. Prozentmäßig gab es allerdings nur wenig Grund zur Freude. Vor vier Jahren rettete der viel kritisierte Werner Faymann noch 26,8 Prozent ins Ziel. Sein Nachfolger Christian Kern, vor 15 Monaten als Hoffnungsträger euphorisch von der Partei empfangen, schaffte nicht (viel) mehr.

Und doch zog er am Sonntagabend unter Jubelchören und „Yes, we Kern“-Rufen ins Festzelt ein, das zwischen der Parteizentrale in der Löwelstraße und dem Burgtheater errichtet worden war. „Ich frage mich“, rief Kern von der Bühne, „wie dieses Zelt in fünf Jahren ausschaut, wenn wir dann die absolute Mehrheit gewonnen haben.“ Das klang nicht nach Rücktritt, dabei hatte man in der SPÖ eigentlich damit gerechnet, sollte Kern nicht Kanzler bleiben können. Er selbst räumte zwar ein, dass das Wahlergebnis nicht so ausgefallen sei, wie er sich das gewünscht hätte. Und dass im Wahlkampf Fehler passiert seien. Auch ihm (der Name Tal Silberstein fiel nicht). Aber es habe eben auch einen „brutalen Gegenwind“ in der Kampagne gegeben.

Mit Selbstkritik hielt sich Kern also nicht lange auf. Was jene verwunderte, die die Lage in der SPÖ nicht ganz so rosig sehen wie er. Die Trauer über den verlorenen ersten Platz wurde am Wahlabend zwar von vielen verdrängt. Aber den Ärger konnten nicht alle verbergen. Viele Genossen fragen sich nämlich, was eigentlich gewesen wäre, wenn man einen pannenfreien Wahlkampf geschlagen hätte. Mit einer konsistenten inhaltlichen Linie. Ohne gefälschte Facebook-Seiten, die Sebastian Kurz schaden sollten. Hätte man vielleicht doch eine Chance gehabt? Und vor allem: Wie soll es nun weitergehen?

Will Kern in die Opposition?

Ab Montag, versprach Kern, werde die SPÖ das demokratische Österreich verteidigen. „Wir sind mehr denn je gefordert in den nächsten fünf Jahren.“ In welcher Rolle, sagte er nicht. Allfällige Koalitionsgespräche werde man – so es dazu kommen sollte – „mit aller Ernsthaftigkeit“ führen. Wichtiger werde sein, „dass in Österreich wieder die richtigen politischen Themen diskutiert werden“. Es brauche ein Gegengewicht zum „Rechtsrutsch“, der von Mitbewerbern, auch Medien gezielt vorbereitet worden sei. Präferiert Kern denn die Opposition?

Seine Partei stellt sich jedenfalls schon auf einen Richtungsstreit ein. Der linke Flügel drängt in die Opposition, nach dem Vorbild der SPD, die sich nach dem Absturz vor drei Wochen Enthaltsamkeit von der Macht verordnet hat. Vor allem, so die Überlegung, könne man sich dann gegen eine schwarz-blaue Regierung profilieren. Der rechte SPÖ-Flügel dagegen würde lieber in der Regierung bleiben, notfalls auch als Juniorpartner von Sebastian Kurz (so der denn will). Da wäre allerdings die Frage, ob Christian Kern mitmacht. Oder doch an Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil übergibt, mit dem Kurz in der Migrationspolitik mehr gemeinsam hat. Die Gewerkschafter werden hier wohl ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben.

Für manche ist auch „das Unaussprechliche“ (ein Sozialdemokrat) eine Option, nämlich eine Koalition gegen Kurz, mit der FPÖ, wie im Burgenland. Aber das ist dann doch unwahrscheinlich. Zumal das zu heftigen Auseinandersetzungen mit den linken Genossen führen würde. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl schloss diese Option schon einmal kategorisch aus. Nicht aus persönlicher Abneigung, sondern schlicht aus dem Grund, „dass es keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten gibt“. Vom Zeltpublikum gab es dafür kräftigen Applaus. Und jetzt, sagte Häupl, habe er – auch weil die SPÖ in Wien Erste blieb – „richtig Lust zu feiern“. Man bringe den Spritzwein. Dann wird schon alles irgendwie werden. Wie auch immer.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2017)

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