Geteiltes Wien: Warnung vor Schwarz-Blau wirkte

In den Innenstadt-Bezirken punktete die SPÖ, in den Flächenbezirken verlor sie.
In den Innenstadt-Bezirken punktete die SPÖ, in den Flächenbezirken verlor sie.(c) APA (Roland Schlager)
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Die SPÖ konnte in den urbanen Innenstadt-Bezirken auf Kosten der Grünen Stimmen gewinnen. In den Flächenbezirken verlor die SPÖ dagegen an ÖVP und FPÖ.

Wien. 2013 erklärte Michael Häupl das Ergebnis der SPÖ in Wien so: Viele Menschen hätten das Gefühl gehabt, die SPÖ hätte schon gewonnen und wären nicht zur Wahl gegangen. Die Sorgen von damals hätte man diesmal gerne. Im Bund ist die SPÖ denkbar weit weg vom ersten Platz, aber dass sie zumindest nicht auf dem dritten gelandet ist, ist Wien zu verdanken. Während die Bundes-SPÖ stagnierte, legte die Landespartei um etwa 3,4 Prozentpunkte auf rund 35 Prozent zu. Erste Daten zeigen: In jenen Wiener Bezirken, in denen die Grünen ein Fiasko erlitten, erzielte die SPÖ enorme Zuwächse bis etwa 14 Prozent.

Die eindringliche Warnung vor Schwarz- bzw. Türkis-Blau dürfte sich für die Wiener SPÖ also ausgezahlt haben. Wieder einmal. In den urbanen Innenstadtbezirken konnte die SPÖ nach ersten Daten massiv (unzufriedene) Grün-Wähler an sich binden – ein Déjà-vu der Wien-Wahl 2015. In den bevölkerungsreichen Außenbezirken wie Floridsdorf, in denen die SPÖ direkt gegen die FPÖ kämpft, dagegen verlor die SPÖ in den Bezirken – im Bereich von etwa drei Prozent. Ebendort konnte aber auch Sebastian Kurz mit der strikten Migrationslinie für die bis dahin dort kaum existente ÖVP Zuwächse bis zu neun Prozent erreichen. Für Michael Häupl ist das SPÖ-Ergebnis eines, „mit dem man leben kann“. Und er betonte wohl nicht ganz unschadenfroh: In Wien habe die SPÖ unter Rot-Grün zugelegt, während man unter Rot-Blau im Burgenland ein Minus von etwa vier Prozentpunkten eingefahren habe. Schwarz-Rot im Bund bezeichnet Häupl als schwierig, aber „nicht unmöglich“.

Der Kurz-Faktor

Der Wahlsieger des Abends, die ÖVP, hat auch in Wien, wo man traditionell eher bescheidene Ergebnisse hat, stark gewinnen. Laut vorläufigem Ergebnis hat 20,66 Prozent erreicht. Der Kurz-Faktor wirkt also auch in der Bundeshauptstadt, die von ihm im Wahlkampf ja kritisiert wurde. Dazugewonnen hat man in allen Bezirken, in den Neos-Hochburgen Innere Stadt, Währing oder Döbling offenbar auf Kosten der Pinken. Motto: Die jungen bürgerlichen Wähler kehren zurück. Mit etwa sechs Prozent liegen die Neos in Wien unter dem Ergebnis von 2013 von 7,7 Prozent.

Auch wenn die nächste Wien-Wahl (2020) noch weit weg ist, geht die kleine einstellige Wiener ÖVP, aus den Nationalratswahlen gestärkt hervor. Die Partei, die nach der vergangenen Wien-Wahl radikal umgebaut wurde, gilt als dem ÖVP-Parteichef besonders verbunden. Das zeigte auch die forcierte Wien-Kritik von Kurz. Ihr Chef Gernot Blümel ist ein enger Vertrauter von Kurz und wird wahrscheinlich zusätzlich zur Führung der Landespartei ein Ministeramt oder ein Staatssekretariat übernehmen.

Blauer Plafond, grünes Tief

Ein anderer Wahlsieger des Abends hat sein Potenzial in Wien offenbar fast ausgereizt, wie sich schon bei der vergangenen Nationalratswahl abgezeichnet hat – die FPÖ erreichte vorläufig 23,13 Prozent. Dazugewinnen konnte man wieder in den Flächenbezirken. Dass es in Summe nicht für große Zugewinne gereicht hat, mag daran liegen, dass es in Wien nicht viele heimatlose Stronach-Wähler gab. Dessen Partei hat 2013 in Wien nur 3,91 Prozent erreicht.

Für Maria Vassilakou, die „von einem bitteren Tag für die grüne Bewegung“ sprach, sind es schwere Stunden. Erste Daten weisen ein wienweites Minus im Bereich von elf Prozent aus (ohne Wahlkarten). Ein Symbol für dieses Fiasko ist Wien-Neubau. Dort, wo die Grünen den ersten Bezirksvorsteher Wiens stellten, wo die Grünen bei der Bezirksvertretungswahl 2015 mit 41 Prozent im Bereich der absoluten Mehrheit kratzten – dort schlitterten die Grünen in ein Fiasko und verloren (nach ersten Daten, ohne Wahlkarten) 21 Prozentpunkte. Mit nur mehr elf Prozent wurden die Grünen in ihrer österreichweiten Hochburg sogar von der Liste Pilz überholt. Und in den anderen jung-urbanen Innenstadtbezirken sah es für die Wiener Grünen nicht viel besser aus. Sogar in den bevölkerungsreichen Wiener Flächenbezirken, in denen die Grünen ohnehin schwächeln, fuhr die Vassilakou-Partei ein sattes Minus im Bereich von etwa acht Prozentpunkte ein.

Vassilakou ortete den Grund für die Niederlage in Peter Pilz. Sie sprach von einer „klaren Botschaft“ der Wähler: Diese würden es nicht schätzen, wenn die Grünen als zerstrittene Truppe dastehen und aus den Grünen zwei Listen würden. Worauf Vassilakou bei einer ersten Analyse allerdings nicht einging, waren die Turbulenzen bei den Wiener Grünen, die das Wiener Ergebnis beeinflusst haben könnten.

Die Vizebürgermeisterin forcierte das Hochhausprojekt eines Investors, das (ursprünglich) den Bau von Luxuswohnungen vorsah gegen den erbitterten Widerstand der grünen Basis und der Unesco, die deswegen der Stadt Wien das Weltkulturerbe aberkennen dürfte. Die Parteispitze veranstaltete wegen des Protests eine grüne Urabstimmung, die gegen das Projekt ausging. Es wurde trotzdem im Gemeinderat beschlossen. Mit den Stimmen der Grünen.

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("Die Presse", Printausgabe, 16.10.2017)

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