Stadt-Land-Gefälle: Ein Land und zwei politische Welten

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Liberale Städte, konservatives Land: Das Stadt-Land-Gefälle ist an den Ergebnissen ablesbar.

Wien. Die böse Stadt gegen das gute Land, hieß es im Wahlkampf von Sebastian Kurz (etwa als er von immer mehr Österreichern, die Wien gerne verlassen würden, sprach). Das böse Land gegen die gute Stadt, heißt es nun für linke Städter: „Mit Blick auf das Ergebnis wird mir wieder bewusst, wie gerne ich in Wien wohne statt auf dem Land“, hört man da. Es scheint, als gehe eine (politische) Kluft durch Österreich. Dass dieser Eindruck nicht ganz täuscht, zeigen auch die Daten des Meinungsforschungsinstituts Ifes. Dort hat man sich die Nationalratswahlergebnisse der Parteien in unterschiedlich großen Gemeinden angeschaut (siehe Grafik).

Die SPÖ hat in Gemeinden mit mehr als 20.000 Wahlberechtigten im Schnitt um 10,8 Prozentpunkte mehr eingefahren als in Gemeinden mit maximal 2500 Wahlberechtigten. In Oberösterreich ist der Unterschied besonders groß. Das SPÖ-Ergebnis lag hier in (großen) Städten um 16,1 Prozentpunkte höher als in kleinen Gemeinden.

Bei der ÖVP ist der Trend umgekehrt. Sie punktet in kleinen Gemeinden. Im Schnitt machte die Volkspartei bei dieser Nationalratswahl in Gemeinden mit maximal 2500 Wahlberechtigten 15,8 Punkte mehr als in Städten mit mehr als 20.000 Wahlberechtigten. Am größten ist die Kluft in Tirol. Das ÖVP-Ergebnis lag dort in Städten um 19,4 Prozentpunkte niedriger als in Kleingemeinden. Bei den übrigen Parteien sind die Unterschiede weniger deutlich. Aber vorhanden. Die FPÖ kommt im ländlichen Raum besser an. Die Neos, die Liste Pilz und die Grünen sind in den Städten stärker.

„Ein unterschätztes Phänomen“

„Es gibt einen riesigen Stadt-Land-Unterschied“, sagt Eva Zeglovits, Chefin von Ifes. „Wir erklären beim Wahlverhalten vieles über das Alter, das Geschlecht oder den Beruf. Mir scheint aber auch in dem Stadt-Land-Unterschied viel dahinterzustecken“, so Zeglovits. Auch Politikwissenschaftler Peter Filzmaier bezeichnet das Stadt-Land-Gefälle als „eines der unterschätztesten Phänomene“. Sehr deutlich wurde es bei den Ergebnissen der Bundespräsidentschaftswahl. Bei der Nationalratswahl sind die Unterschiede, sagt Florian Oberhuber von Sora, nun „gar nicht so dramatisch wie sonst“ gewesen.

Neu ist diese politische Stadt-Land-Kluft (Städte liberaler, das Land eher konservativ) freilich nicht. Es ist auch kein rein österreichisches Phänomen. US-Präsident Donald Trump wurde insbesondere durch die Stimmen der ländlichen Bevölkerung gewählt und der Brexit von den Landbewohnern entschieden. Das unterschiedliche (Wahl-)Verhalten lässt sich zum Teil durch die biografischen Daten erklären. Es zieht vor allem junge und höher gebildete Menschen in die Städte. Die wählen traditionell liberaler. Der ländliche Raum hingegen altert. Auch Religion spielt dort noch eine größere Rolle. Das macht es für konservativere Kräfte einfacher.

So weit zur Theorie. In der Praxis gab es diesmal leichte Verschiebungen. „Kurz ist es gelungen, den Rückstand in den Städten zu verringern“, sagt Filzmaier. Trennlinien sind eben nie ganz einfach zu ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2017)

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