Kogler verordnet den Grünen das Comeback des Aktionismus

"Gescheit sein und allein bleiben, wird die Welt nicht retten. Es muss schon auch gehört werden."
"Gescheit sein und allein bleiben, wird die Welt nicht retten. Es muss schon auch gehört werden."(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Interimschef Werner Kogler will die Positionen der Partei klarer fokussieren, die Haltung aber nicht ändern.

Wien. Das Eingestehen von Fehlern war in den vergangenen Tagen Werner Koglers Hauptbeschäftigung. Was wichtig und richtig gewesen sei, doch nun will der Interimschef der Grünen sich der Zukunft der Partei zuwenden. Was einerseits die Mitarbeiter betrifft, etwa mit dem Organisieren von Jobbörsen, aber auch die finanzielle Situation der Partei. Insgesamt sitzt man ja auf Schulden von rund fünf Millionen Euro, die man nun abtragen muss.

Ein Baustein dabei sind auch Spenden: „Wir haben ein Spendentool auf unsere Homepage gestellt, da kommen schon viele kleinere Beträge rein“, sagt Kogler im Gespräch mit der „Presse“. „Und parallel dazu geht es schon auch um die politische Neuordnung oder Neugründung der Partei.“

Klar ist, dass man es außerhalb der parlamentarischen Bühne schwerer haben wird. Und dass mit Peter Pilz ein ehemaliger Grüner und nunmehriger Konkurrent diese Bühne weiter haben wird. Besteht die Gefahr, dass er womöglich von potenziellen Wählern als der eigentliche Grüne identifiziert werden könnte? „Man wird sehen, was die Pilz-Partei macht“, sagt Kogler, „denn die ist möglicherweise eine gar nicht so homogene Truppe.“ Die Abgeordneten würden wohl versuchen, „in den Bereichen zu punkten, wo sie ihre Überzeugungen haben – oder taktisch auftreten.“ Da könne es durchaus sein, dass Pilz auch grüne Kernthemen angeht. „Und ich kann mich ja schwer aufregen, wenn jemand für Natur und Klimaschutz auftritt.“ Zu einer möglichen Kooperation mit dem Ex-Grünen, auf welche Art auch immer, will Kogler derzeit aber nichts sagen. „Man weiß ja noch nicht einmal, wie die verfasst sind, und was sie tun werden.“

Abgesehen davon habe man ohnehin noch andere Plattformen, um politisch zu agieren – etwa vier grüne Bundesräte. Und auch bei den bevorstehenden Wahlen in den Bundesländern glaubt Kogler, dass die Grünen positiv auffallen können. Unter anderem auch deswegen, weil potenzielle Grün-Sympathisanten nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat gesehen hätten, dass man nicht taktieren dürfe, wenn man grüne Politik will. Darauf werde man in den Wahlkämpfen auch hinweisen. „In Tirol gibt es eine gute Chance, das Ergebnis auf einem hohen Niveau zu halten.“ Auch für Salzburg habe er ein gutes Gefühl – „aber 20 Prozent muss man auch erst einmal halten“. In Kärnten und Niederösterreich habe man es etwas schwerer. Besonders große Hoffnung gebe es dafür bei der Bürgermeisterwahl in Innsbruck mit dem Kandidaten Georg Willi. „Man soll sich ja nicht selbst zitieren, aber das könnte für die Grünen das größte Comeback seit Lazarus werden.“

Thematisch will Kogler jedenfalls bei den bisherigen grünen Schwerpunkten bleiben – also etwa bei Natur- und Umweltschutz, der Gleichstellung der Geschlechter und einer positiven Einstellung zu Europa. Dass die Partei beim Thema Migration ihre Haltung ändern wird, glaubt Kogler nicht. Und, ein Seitenhieb auf Peter Pilz, der das Thema Islam im Wahlkampf forciert hat: „Wenn man blaue Wähler ansprechen will, muss man aufpassen, nicht den blauen Text zu übernehmen.“ Man werde aber jedenfalls eine klare Position zu Themen wie Asyl zeigen und fokussierter auftreten. „Wir müssen das durchbrechen, was uns angedichtet wird.“ Dass man etwa alle Ausländer nach Österreich lassen wolle, wie immer wieder behauptet werde. „Wir haben ja ein Einwanderungs- und Integrationsmodell“, so Kogler, „aber das wird nicht gesehen.“

Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen

Bei der Kommunikation der grünen Inhalte werde man nun kreativer sein müssen. Weil man als außerparlamentarische Opposition weniger mediale Aufmerksamkeit bekommt, werde man stark auf soziale Medien setzen. „Und man wird da und dort aktionistischer sein müssen. Denn gescheit sein und allein bleiben, wird die Welt nicht retten. Es muss schon auch gehört werden.“ Gerade der Aktionismus sei ja eigentlich immer schon eine grüne Tugend gewesen, auf die man sich wieder besinnen müsse. Und auch die Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen, wo ja auch die Wurzeln der Grünen liegen, müsse man stärker suchen. „Das“, meint Kogler, „wurde immer wieder vernachlässigt.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

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