Vassilakou: "Aufgeschlossene Kräfte in der SPÖ"

(c) Michaela Bruckberger
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Maria Vassilakou, Grünen-Spitzenkandidatin in Wien, im Gespräch: Sie hat den Kampf um die Verbauung des Augartenspitz aufgegeben. Statt Volksbegehren will sie Bürgerbeteiligungen bei lokalen Projekten.

Die Presse: Spricht man mit Wiener SPÖ-Politikern, bemerkt man wenig von der Euphorie für Rot-Grün.

Maria Vassilakou: Es ist bekannt, dass die Wiener SPÖ die absolute Mehrheit mit zähen Klauen verteidigen will. Euphorie wäre zu viel verlangt.

Sollte die Absolute fallen, will die SPÖ mit der ÖVP koalieren.
Wollen Sie auch der SPÖ auf den Leim gehen, die mit rot-schwarz droht, um ihre Wähler zu mobilisieren?

Es gibt Kräfte in der SPÖ, die den Grünen gegenüber aufgeschlossen sind, weil sie sich nach Erneuerung sehnen. Rot-Schwarz bedeutet Stillstand, wie wir ihn auf der Bundesebene erleben. Ich kenne viele, die keine Lust haben, das auch in Wien erleben zu müssen.

Was machen Sie, wenn Ihnen keine Regierungsbeteiligung gelingt?

Wir haben schon in den vergangenen Jahren mit der autofreien Siedlung, den Citybikes und dem Wientalradweg gezeigt, dass wir aus der Oppositionsbank viel beitragen können.

Warum überlassen die Grünen denn der FPÖ das Oppositionsmonopol?

Bei der FPÖ sehe ich eine inhaltlich inkompetente, krakeelende Partei, die nichts zu bieten hat. Weder als Oppositionskraft, noch als Gestaltungskraft. Die einzige Opposition, die es gegeben hat, sind die Grünen.

Das sagen ÖVP und FPÖ auch.

Die ÖVP ist bei jeder Packelei dabei gewesen. Die größte Pleite der ÖVP ist Skylink, ein genuines rot-schwarzes Debakel, bei dem 500 Mio. € in den Sand gesetzt wurden. Die Grünen haben hingegen etwa den Naschmarkt vor der Mega-Tiefgarage gemeinsam mit 30.000 Anrainern gerettet und sind am Augartenspitz Anrainern zur Seite gestanden.

Wäre ein Baustopp im Augarten nicht eine grüne Koalitionsbedingung?

Was unabdingbar ist, ist ein Programm, das folgende Ziele verfolgt: Modernisierungen in den Schulen, Ausbau der Öffis. . .

Ihr Parteiprogramm ist sehr interessant, aber mich interessiert der Augarten.

Wenn es machbar wäre, ja. Aber hier wurden Bewilligungen erteilt.


Das kümmert die Grünen?

Ja. Das ist ein privat finanziertes Projekt. Und bedauerlicherweise liegt die Baubewilligung vor. Aber wird werden bei solchen Projekten in Zukunft die rechtzeitige Mitentscheidung der Anrainer verlangen.

Was sagen Sie zum Vorstoß des Bürgermeisters, die Bevölkerung über ein Berufsheer entscheiden zu lassen?

Ich sehe keinen Grund, warum ich da dagegen sein sollte. Jedoch: Diese Volksbefragungs- und Volksbegehrensinflation droht von einem sehr wertvollen Instrument der Bürgerbeteiligung zu einer Farce zu verkommen. Es ist inzwischen schick für Politiker im Wahlkampf, ein Volksbegehren zu lancieren.


Die Grünen haben deswegen auch ein Bildungsvolksbegehren angekündigt.

Da gibt es einen wesentlichen Unterschied: Die Grünen haben darauf hingewiesen, dass ein Volksbegehren von denjenigen, die in der Zivilgesellschaft dafür kämpfen, bevorsteht. Wir haben klar gemacht, dass sie mit voller Unterstützung rechnen können.

Die Grünen fordern Miet-Höchstgrenzen bei Wohnungen. Warum wollen Sie in den Markt der Kategorie A eingreifen?

Österreich hat ein Mietrecht, das die Preisentwicklung regulieren soll. Es funktioniert bloß nicht. Wir wollen, dass in jungen Familien nicht einer nur fürs Wohnen arbeitet.
Ihr Beispiel mit der vierköpfigen Familie, die für eine 100 Quadratmeter-Wohnung 1300 Euro zahlt, ist sonderbar. Es gibt günstigere Wohnungen dieser Größe.
10 € pro Quadratmeter sind in Wien bereits die Untergrenze. Ich habe gesagt 1200 bis 1300 €. Dazu stehe ich.

In einer guten Wohngegend. Das klingt nach Sozialismus für Besserverdiener.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Es geht uns darum, geldgierigen Immobilien-Großfirmen das Handwerk zu legen. Man kann mit Verwertung von Wohnraum Geld verdienen, aber bitte keine goldene Nase. Ich nehme nicht hin, dass in Wien Familien mit kleinen Kindern delogiert werden, weil sie sich die Miete nicht leisten können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 6. Oktober 2010)

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