Lieber mehr Konfrontation

Kolumne "Sprechblase". Warum der offene Dialog klar überschätzt wird.

So sollen Dialoge sein: offen. Ganz egal, worum es geht. Ganz egal, wer an dem Zwiegespräch beteiligt ist. Ganz egal, wie miteinander gesprochen wird. Hauptsache offen. Das klingt nach Vertrauen, Ehrlichkeit und Freiheit von Hintergedanken. Wenn es nur so wäre. Tatsächlich ist der offene Dialog nichts anderes als eine wunderbare Sprechblase. Was wurde nur aus der gepflegten Konfrontation, die vielfach motivierender und befruchtender ist als Plauderton?

Wenn es offene Dialoge gibt, gibt es dann auch geschlossene Dialoge? Analog zu offenen und geschlossenen Fragen.

Sie wissen: Bei Ersteren darf der Gefragte erzählen, bei Zweiteren gefälligst nur Ja oder Nein sagen. Geschlossen sind sonntags die (meisten) Geschäfte. Geschlossen sind Fenster (neuerdings die windows of opportunity) und Gesellschaften. Anders als die O(H)G, die offene (Handels-)Gesellschaft. Geschlossen werden Verhandlungen und Verträge.

Offen hingegen ist die Straße bei einem Mord („auf offener Straße erschossen“). In Seenot geraten Menschen nur auf offener See, und nie steht der Schlagabtausch für sich allein: Auch er ist immer offen. Offensichtliche Erklärungen dafür fehlen.

michael.koettritsch@diepresse.com

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