Multikulti bei der Lehrlings-Auswahl

Autorin Daniela A. Ben Said rät Unternehmen auf die Herkunft der Bewerber zu schauen. Doch 58,9 Prozent der Betriebe haben noch nie Jugendliche mit Migrationshintergrund eingestellt.

Vorgestern waren es hauptsächlich die Noten, die den Ausschlag gaben. Gestern achteten die Unternehmen auch auf die soziale Kompetenz. Und heute setzen immer mehr bei der Auswahl von Lehrlingen und Trainees auf Vielfalt im Hinblick auf die Herkunft der Bewerber. Allerdings klaffen Theorie und Praxis häufig noch weit auseinander. Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung haben 58,9 Prozent der befragten Betriebe noch nie einen Jugendlichen mit Migrationshintergrund eingestellt.

Die in Deutschland lebende Vortragsrednerin, Unternehmensberaterin und Autorin Daniela A. Ben Said ist selbst Migrantin und sie weiß, dass Multikulti-Teams erfolgreicher sind, wenn intelligentes Management dahintersteht. Das wiederum erfordere beim Thema Diversity wie bei fast allem im Leben eine Änderung von Einstellung und Sichtweise. Das Beispiel ethnische Vielfalt zeigt, was damit gemeint ist: Während sich die einen auf die Defizite konzentrieren, also etwa das nicht perfekte Deutsch des potenziellen Anlagenbauers aus dem Irak, sehen andere vor allem die spezifischen Kompetenzen der ausländischen Lehrlinge.

Mehr Innovationen und Visionen

Wo bei den Lehrlingen oder auch in der gesamten Belegschaft ethnische Vielfalt herrscht, berichteten die Führungskräfte oft von ungewöhnlicher Innovationskraft, sagt Ben Said. Der Mut zu Neuem sei deutlicher ausgeprägt als bei homogenen Belegschaften.

Abgesehen davon hält Ben Said mehr Heterogenität bei Lehrlingen für unverzichtbar. Grund: Unsere Gesellschaft wird zunehmend inhomogener und in vielen Bereichen fehlt bereits der Nachwuchs. Bei den unter 25 Jahre alten Menschen hat heute jeder Vierte Migrationshintergrund, bei den unter sechs Jahre alten gar jeder dritte.

Ben Said weiß aber auch, dass harmonisches Multikulti im Unternehmen kein Selbstläufer ist. Verschiedene Maßnahmen beugen möglichen Konflikten vor und machen den Arbeitgeber für Menschen mit nicht-deutscher Herkunft besonders attraktiv. Dazu gehören die Schulung der interkulturellen Kompetenz der Belegschaft und Patenschaften, bei denen jeweils ein deutscher Mitarbeiter einem Mitarbeiter aus einem anderen Kulturkreis an die Seite gestellt wird.

Spreche sie Unternehmer darauf an, was sie konkret tun würden, seien diese meist erstaunt. „Bisher sind sich die wenigsten darüber im Klaren, dass es für mehr Diversity nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern Aktionen braucht.“ Ben Said erwähnt in den Gesprächen mit ihren Kunden zunächst Kleinigkeiten, die relativ leicht umzusetzen sind – etwa Halal-Angebote in der Kantine, Toleranz gegenüber betenden Muslimen und Frauen mit Kopftuch oder die Berücksichtigung von Feiertagen anderer Religionen. „An solchen Dingen entscheidet sich, ob sich Menschen mit für Deutsche fremden Gewohnheiten im Betrieb wohl fühlen.“

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