Lehrvertrag: Noch mehr Papierkram

Probezeit, Urlaub und Vorlehrzeiten: Was Lehrlinge, Eltern und Ausbildungsbetriebe über den Lehrvertrag unbedingt wissen sollten. Teil 2.

Der Lehrvertrag ist relativ genau geregelt. Und doch gibt es viele Details zu beachten. Teil 2 des "Presse"-Wegweisers für Lehrlinge, Eltern und Ausbildungsbetriebe.

1. Anrechnung von Vorlehrzeiten

Im Lehrvertrag sind der Beginn und das Ende der Lehrzeit mit einem Datum festgelegt. Diese Daten werden von der Lehrlingsstelle überprüft.

Es kann sein, dass der Lehrling in einem anderen Betrieb bereits gelernt hat. Sollte diese Lehre im selben oder einem anrechenbaren Lehrberuf erfolgt sein, wird die Zeit der Ausbildung angerechnet. Das bedeutet, es kommt zu einer Verkürzung der Lehrzeit im Unternehmen.

TIPP für Unternehmen: Fragen Sie beim Vorstellungsgespräch nach, ob der Lehrling bereits bei einem anderen Betrieb eine Probezeit hatte. Sie können auch bei der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer nachfragen. Jugendliche verheimlichen diese Zeiten nicht zwingend. Manche wissen über die Anrechnung nicht Bescheid.

2. Der Ausbilder

Um Lehrlinge ausbilden zu können, muss der Betrieb einen Lehrlingsausbilder haben. Dieser wird auch im Lehrvertrag genannt. Um Lehrlingsausbilder zu werden, muss man eine Lehrlingsausbilderprüfung machen, oder einen 40-stündigen Lehrlingsausbilderkurs. Viele Lehrlingsausbilder machen die Prüfung im Rahmen der Ausbildung zum Meister.

Neben der täglichen Arbeit im Unternehmen kann ein Lehrlingsausbilder für bis zu fünf Lehrlinge verantwortlich sein. Dies bedeutet nicht, dass er sich um alle Lehrlinge kümmern muss. Sehr oft sind die Lehrlinge im Unternehmen integriert und die Mitarbeiter in den Abteilungen beaufsichtigen und unterweisen den Lehrling. Die Lehrlingsausbilder haben den Gesamtüberblick.

Manche Unternehmen haben mehrere Lehrlinge und leisten sich einen hauptamtlichen Lehrlingsausbilder. Diese dürfen bis zu 15 Lehrlinge ausbilden. Im Unternehmen haben diese neben der fachlichen Ausbildung sehr oft auch koordinative und organisatorische Aufgaben.

TIPP für Unternehmer: Um die Qualität der Ausbildung zu steigern, sollten all jene Mitarbeiter die mit den Lehrlingen arbeiten, zu Lehrlingsausbildern ausgebildet werden. Diese Schulungen beinhalten neben einer rechtlichen Grundlage einen guten Überblick über die Inhalte des Berufsbildes und eine Hilfestellung und Unterstützung im Umgang mit dem Lehrling.

3. Die Auflösung während der Probezeit

Die Probezeit der Lehre beträgt drei Monate. In dieser Zeit ist es sowohl für den Lehrling als auch für das Unternehmen möglich, den Lehrvertrag aufzulösen. Es ist nicht notwendig, einen Grund für diese Auflösung zu nennen.

Die Probezeit ist für Unternehmen und Lehrling eine sehr wichtige Zeit. Der Betrieb lernt den Lehrling kennen. Der Lehrling lernt die Kollegen kennen, mit denen er zusammenarbeiten wird. Man erkennt, ob man zusammenpasst. Der Lehrling bekommt aber auch einen Einblick in das Berufsbild. Junge Menschen haben keine genaue Vorstellung von der Arbeitswelt. In diesen ersten Wochen werden sie mit viel Neuem konfrontiert. Auch das Berufsbild wird praktisch sichtbar. Nun kann erst entschieden werden, ob das Berufsbild wirklich zu mir passt. Die Probezeit gibt hier Gelegenheit von beiden Seiten genau hinzusehen, ob die Zusammenarbeit für die nächsten Jahre halten kann.

TIPP für Unternhemer: Nach etwas mehr als zwei Monaten sollte ein Feedbackgespräch eingeplant werden. Der Ausbilder kann die unterschiedlichen Blickwinkel zusammentragen und sich ein ganzheitliches Bild über die Situation machen. Sollten Unzufriedenheiten sichtbar werden, kann in der verbleibenden Zeit noch reagiert werden. Entscheiden Sie sich bewusst für den Lehrling und zeigen Sie ihm das. Dies stärkt seine Motivation.

4. Der Urlaub

Der Lehrling hat Anspruch auf fünf Wochen Urlaub im Jahr. Jungen Menschen, die zum ersten Mal im Arbeitsprozess integriert werden ist dies nicht so bewusst. Sie kommen von der Schule und haben neun Wochen Sommerferien, zehn Tage Osterferien, zwei Wochen Weihnachtsferien und ganz viele schulfreie Tage. Wenn in die Berufsschulzeit Ferien fallen, so sind diese nicht Arbeitsfrei. An diesen Tagen müssen die Lehrlinge arbeiten gehen, oder Urlaub nehmen. Auch das wissen Lehrlinge selten. Hier ist Aufklärung wichtig.

Lehrlinge unter 18 Jahre haben das Recht zwei Wochen Urlaub zwischen dem 15. Juni und dem 15. September zu konsumieren. Der Termin für den Urlaub wird gemeinsam zwischen Lehrling und Unternehmen ausgemacht.

5. Die Weiterverwendung nach Ende der Lehre

Am Ende der Lehre hat der Lehrling das Recht, noch mindestens drei Monate im Unternehmen weiter zu arbeiten. Der Lehrling ist dann fertig ausgebildet und gilt als Facharbeiter.

Wie lange die Weiterverwendung oder Behaltezeit nach der Lehre genau dauert, steht im Kollektivvertrag.

Teil 1:Schon wieder Papierkram

Mag. Vittoria Bottaro hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Lehrlingsausbildung. Heute ist Bottaro selbstständige Unternehmensberaterin in Annenheim/Kärnten mit dem Schwerpunkt Lehrlingsausbildung.
www.bottaro.at

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