Der Stallgeruch an der Kassa

Hofer4Excellence. Trendforscher David Bosshart sprach beim Recruiting-Event von Hofer in Kooperation mit „Die Presse“ über Trends im Handel, Technologisierung und Karrierechancen.

Der erste Intel-Chip wurde 1971 produziert. Das aktuelle Modell ist im Vergleich dazu 3500-mal leistungsstärker, 60.000-mal billiger und 90.000-mal energieeffizienter. „Technische Innovationen kommen schneller und komplexer, als man denkt“, sagt David Bosshart. Auch der Handel müsse für Innovationen offen sein. Hofer will genau das tun und hat deshalb den Vorstand des Zürcher Gottlieb-Duttweiler-Institute for Economic and Social Studies in das Wiener K47 eingeladen. Bei Hofer4Excellence sprach er vor ausgesuchten High Potentials zum Thema „Die Zukunft des Erfolgs – wie sich das Management verändert“.

Jugendliche seien es heute gewohnt, rund um die Uhr konsumieren zu können. Dieses „Einkaufserlebnis ohne Sendeschluss“ erfordere ein Umdenken im Handel und neue Wege, die Kunden zu erreichen: „Junge Menschen beeinflusst man mit Bildern, E-Mails sind für alte Leute“, sagt Bosshart. Wichtig sei, sich Veränderungen nicht zu verschließen: Lernen könne nur, wer etwas riskiert, kreativ ist und experimentiert. Als Beispiel nennt er Selbstbedienungskassen: Zunächst ein Experiment – und auch nur von jenen abgelehnt, die es nicht selbst zu probieren gewagt haben.

Liebe zu Lebensmitteln

Andere Entwicklungen sieht Bosshart kritischer: In den USA und in Asien rechnet man bereits heute damit, dass Lebensmittel aus dem 3-D-Drucker und In-vitro-Fleisch fixer Bestandteil der Ernährung der Zukunft sein werden. „Wir in Europa haben eine romantische Beziehung zu Lebensmitteln und eine Vorliebe für Bioprodukte“. Bosshart bezweifelt, dass künstlich produzierte Lebensmittel hierzulande erfolgreich sein werden. „Man darf nie vergessen, dass Menschen lokal leben. Sie wollen einen regionalen Bezug, den Bauer kennen.“ Anders als bei Ikea und Modeketten könnten Lebensmittel nicht überall auf der Welt gleich vermarktet werden. „Besonders Italiener, Schweizer und Österreicher haben eine hohe Affinität zu frischen Lebensmitteln.“

Ob die künftigen Konsumenten noch im Supermarkt einkaufen oder mit 3-D-Brille von der U-Bahn aus im virtuellen Lebensmittelladen stöbern, haben die Hofer-Generaldirektoren Günther Helm und Friedhelm Dold und Peter Schnedlitz, Vorstand des Instituts Handel und Marketing an der WU Wien, anschließend mit Bosshart diskutiert: Die größten Händler der Welt sind schon online, Hofer arbeitet derzeit noch stationär. „Wir beobachten die Märkte. Bisher haben wir allerdings noch kein kostengünstiges Modell zur Lieferung der Produkte gefunden. Die letzte Meile ist die Herausforderung“, sagte Dold.

In der Diskussion wurde auch thematisiert, wie sich all diese Trends auf Führung und Arbeitsweisen im Handel auswirken. „Vier Generationen von Führung werden in Zukunft zusammenarbeiten“, sagt Bosshart. Die Jüngeren hätten die Expertise bei innovativen und technischen Themen, die Älteren brächten die Erfahrung mit – essenziell sei die Zusammenarbeit.

Auch die Arbeitsweise der Verkäufer der Zukunft werde sich durch den technischen Fortschritt verändern. Doch auch wenn Supermarktregale fehlende Ware zukünftig von allein nachbestellen, werden Mitarbeiter nicht verschwinden – die Schwerpunkte ihrer Arbeit werden sich lediglich verlagern. „Menschen kaufen gern bei Menschen“, sagte Schnedlitz. Der Handel müsse näher am Kunden sein. Auch Mitarbeiter in höheren Positionen dürften die Bodenhaftung nicht verlieren. „Daher schicken wir auch die Akademiker an die Kassen, damit sie quasi den Stallgeruch aufnehmen“, sagte Helm.

Gesunde Selbstüberschätzung

Was die Loyalität zu einem Unternehmen anbelangt, waren sich die Diskutanten auf dem Podium uneinig. „Junge Mitarbeiter“, sagte Bosshart „bleiben, solang sie gebraucht werden und etwas lernen können. Sie wechseln den Job, sobald sie ein besseres Angebot bekommen.“ Wer Loyalität wolle, solle sich einen Hund kaufen. Anders sah das Schnedlitz: „Der sogenannte Smell of a shop, also die Atmosphäre zwischen Mitarbeitern und Management, die man sofort spürt, wenn man ein Geschäft betritt, spielt auch in Zukunft eine Rolle.“

Einigkeit hingegen herrschte bei Karrierevoraussetzungen im Handel: Lust an Veränderungen, Interesse an Menschen und Technologien. Und, sagte Bosshart, „etwas gesunde Selbstüberschätzung kann auch nicht schaden“.

ZUR PERSON

David Bosshart ist seit 1999 CEO des Gottlieb-Duttweiler-Instituts in Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Megatrends und Gegentrends in Wirtschaft und Gesellschaft, die Zukunft des Konsums, Globalisierung, Management und Wandel. Als Keynote-Speaker sprach er bei Hofer4Excellence, einem Recruiting-Event veranstaltet von „Die Presse“ und Hofer vor 100 ausgesuchten Nachwuchstalenten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.