Arbeit: Die Zukunft fährt Auto

Flexibilität. Die Wissensarbeiter der Zukunft sind vor allem eines: mobil. Die Pendlerzahlen steigen. Und so paradox es klingt: Auch die Home-Worker erhöhen das Verkehrsaufkommen.

Der deutsche Trendforscher Sven Gábor Jánszky prognostiziert, dass in Zukunft 30 bis 40 Prozent der Arbeitenden nicht mehr unbefristet bei einem Unternehmen, sondern nur noch befristet auf zwei bis drei Jahre für Projekte angestellt sein werden. Danach werde gewechselt: das Projekt, das Unternehmen, der Wohnort. Viele werden es auf bis zu 20 Arbeitgeber in ihrem Lebenslauf bringen.

Die Jobnomaden, sagt Jánszky, „leben diesen Stil, weil sie es so wollen“. Und nicht, weil sie angeblich prekäre Arbeitsverhältnisse erleiden müssten. Glaubt man einer Umfrage der Experis Personalvermittlung, hat bereits heute die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer mindestens vier sozialversicherungspflichtige Jobs ausgeübt.

Dass die Zukunft den Pendlern und nicht den Nomaden gehört, glaubt hingegen Andreas Knie. Er ist Geschäftsführer des deutschen Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. „Das Nomadentum wird zunehmen, aber nicht 40 Prozent der Bevölkerung betreffen.“ Auch scheinen die Österreicher nur wenig umzugsfreudig zu sein. Lediglich 48 Prozent können sich vorstellen, für einen guten Job den Wohnort zu wechseln, ergab kürzlich eine Untersuchung der Integral Markt- und Meinungsforschung für Immobilienscout 24. „Die Zahl der Umzüge“, sagt Knie, „wird nur leicht steigen. Die Menschen sind in Zukunft immer noch sehr residenzbezogen und nicht bereit, schneller und öfter umzuziehen.“

Die Zahl der Pendler hingegen werde, sagt er, in Zukunft erheblich zunehmen. Für diese Entwicklung gebe es zwei Ursachen: Einerseits verlangen die Arbeitgeber der Zukunft mehr Flexibilität von ihren Mitarbeitern und schicken diese auf weitere Wege. Andererseits würden auch in Zukunft noch viele Menschen in die Vororte ziehen, was die Arbeitswege automatisch vergrößere. In diesem Punkt zeigen auch die Ergebnisse der Experis-Umfrage einen ähnlichen Trend: 42 Prozent wären bereit, für einen guten Job bis zu zwei Stunden Fahrtzeit am Tag zu akzeptieren.

Geht es um die Arbeitswelten der Zukunft, kommt keine Diskussion ohne das Thema Home-Office aus. „71 Prozent der Arbeitnehmer suchen ihren nächsten Arbeitsplatz nach der Möglichkeit des Home-Office aus, 51 Prozent würden sogar eine Gehaltserhöhung gegen flexibles Arbeiten tauschen“, sagt Michael Bartz von der IMC Fachhochschule Krems. „In zehn bis 15 Jahren bieten 40 bis 50 Prozent der Unternehmen Home-Office an.“

Mit dem Auto zum Tennisplatz

Obwohl zukünftig für viele Wissensarbeiter der Weg ins Büro wegfällt, wird die Zahl der Autofahrten steigen. Eine Erklärung dafür liefern Peter Zellmann und Horst W. Opaschowski in ihrem Buch „Zukunftsgesellschaft“: „Was Teleworker an Berufswegen einsparen, gleichen sie durch gesteigerte Freizeitmobilität aus. PC-Nutzer haben nachweislich und verständlicherweise ein größeres Mobilitätsbedürfnis als die übrige Bevölkerung.“

Die Autoren beziffern das Automobilitätsverhalten von Home-Workern mit 32, das der übrigen Bevölkerung nur mit 22 Prozent. Wer von daheim aus arbeitet, bringt morgens die Kinder in die Schule, geht mittags mit Freunden essen und nachmittags zum Tennis. Dadurch verlagere sich die berufsbedingte Rushhour, und Verkehr finde rund um die Uhr statt. An einem erhöhten Verkehrsaufkommen führt in Zukunft also kein Weg vorbei, nicht einmal jener ins Home-Office.

AUF EINEN BLICK

Die Zahl der Pendler wird in Zukunft steigen, da Unternehmen von den Mitarbeitern mehr Flexibilität verlangen und die Menschen in die Vororte ziehen. Die in Zukunft weitaus höhere Zahl der Home-Worker verspürt ein größeres Mobilitätsbedürfnis und ist deshalb noch öfter mit dem Auto unterwegs. 30 bis 40 Prozent leben zukünftig als Jobnomaden und wechseln alle zwei bis drei Jahre den Wohnort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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