Gesundheit: Personalmangel als Teufelskreis

Im Gesundheitsbereich fehlt das Personal. Für die Zukunft braucht es vor allem Reformen der Ausbildung
und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Problemfaktoren und Lösungsansätze im Überblick.

Die Zahlen zeichnen ein dramatisches Bild: Angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung und deren erhöhten Pflegebedarfs fehlen bis zum Jahr 2020 in Österreich rund 13.000 Personen in der Langzeitpflege. Im stationären Bereich sind das 6600, in der mobilen Pflege und Betreuung 6400 Jobs, sagt die Fachgruppenvereinigung für Gesundheits- und Sozialberufe und beruft sich auf Zahlen aus dem Sozialministerium.

Auch die Autoren des „Beschäftigungsreports für die österreichische Sozialwirtschaft“ gehen davon aus, dass der Arbeitskräftebedarf im Bereich der Gesundheits- und Sozialdienste sowie der Kinderbetreuung bis ins Jahr 2025 weiter steigt. Um ihn decken zu können, nennt die Studie drei Lösungsvorschläge: zusätzliche Arbeitskräfte rekrutieren, die Verweildauer der Mitarbeiter erhöhen oder innerhalb bestehender Arbeitsverhältnisse mehr Arbeitsstunden anbieten – also etwa Vollzeit statt Teilzeit.

Faktor Demografie: Die Bevölkerungsentwicklung erschwert die Umsetzung des ersten Lösungsvorschlages: „Derzeit kommen die geburtenschwachen Jahrgänge in die Ausbildung. Neue Arbeitskräfte für den Sektor sind daher noch schwerer zu finden“, sagt Markus Schwarz. Er ist COO der SeneCura-Gruppe, die mehr als 70 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen in ganz Österreich betreut.

Faktor Ausbildung: Pflegekräfte verbleiben durchschnittlich nur zehn bis 14 Jahre im Beruf. Um die Verweildauer zu erhöhen, „braucht der Beruf ein attraktiveres Image“, sagt Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes. Sie fordert vor allem „eine Gesundheitsausbildung auf europäischem Niveau. Die derzeitige ist veraltet.“

Bis zum Sommer wurde eine Gesetzesreform in Aussicht gestellt, welche die bisherige Pflegehilfe zur Pflegeassistenz aufwerten soll: Gesundheits- und Krankenpfleger im gehobenen Dienst sollen künftig ein Bachelorstudium absolvieren, nach dessen Abschluss sie auch Blut abnehmen, Injektionen verabreichen und Katheter und Magensonden setzen dürfen. „Die Aufgaben von Ärzten werden immer komplexer“, sagt Schwarz. „Berufsbilder sollten aufgebrochen werden, indem Mediziner Aufgaben an Pfleger und Therapeuten übergeben.“

Faktor Arbeitszeit: Personen in Gesundheitsberufen, allen voran Ärzte, belastet der Zeitdruck. Der Personalmangel produziert zusätzliche Überstunden. Dazu kommen kurzfristige Einsatzpläne, Arbeit in der Nacht und am Wochenende: Glaubt man dem Beschäftigungsreport, arbeiten 73,6 Prozent der Beschäftigten in Pflegeheimen am Samstag, 69,4 Prozent am Sonntag. Ein Teufelskreis, weil die Unterbesetzung zu Stress führt, der junge Menschen vor einer Ausbildung im Gesundheitsbereich zurückschrecken lässt.

Faktor Vereinbarkeit: „Bei der Wahl des Arbeitgebers steht für zwei Drittel der Mitarbeiter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an oberster Stelle“, sagt Paul Eiselsberg vom Meinungsforschungsinstitut Imas.
Er präsentierte kürzlich eine Studie, die unter Personalverantwortlichen und Mitarbeitern von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen durchgeführt worden ist. Bei der Frage, welche familienfreundlichen Maßnahmen die Beschäftigten am meisten unterstützen, wurden vor allem das Verständnis der Führungskräfte/des Arbeitgebers (58 Prozent), flexible Arbeitszeiten (57 Prozent), die Möglichkeit, zwischen Voll- und Teilzeit zu wechseln (54 Prozent) sowie die Möglichkeit einer familiengerechten Dienstplanung (50 Prozent) genannt.

„Die anstrengenden Zwölfstundendienste im Wechsel gibt es zum Glück immer weniger“, sagt Schwarz. Auch im Pflege- und Gesundheitsbereich gebe es mittlerweile immer mehr Berufe, die nur unter der Woche ausgeübt werden.

Faktor Verdienst: Die Imas-Studie zeigt auch, dass Mitarbeiter im Gesundheitssektor Gehalt als deutlich stärkeren Motivator für eine effiziente und hochqualitative Leistung sehen als Anerkennung.

Faktor Belastung: Laut Mikrozensus-Sondererhebung der Statistik Austria leiden 54,6 Prozent der Erwerbstätigen im Gesundheitssektor an physischen, 44,2 Prozent an psychischen Belastungen. Schweres Heben, Chemikalien, Hitze und der Umgang mit Kranken oder Sterbenden führen zu Erschöpfung, belasten den Körper und führen in weiterer Folge zu gesundheitlichen Schäden.

Gelingt es nicht, diese Faktoren in den Griff zu bekommen, gibt es Alternativen zum menschlichen Pfleger: Im Haus der Barmherzigkeit in Wien wurde zuletzt der Roboter Henry getestet. Zu seinen Aufgaben gehören Kontrollfahrten, Lotsen-Service und die Leitung einer Walking-Gruppe.

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