Karenzväter: Exoten auf dem Spielplatz

In Österreich gehen rund 18 Prozent der Väter in Karenz. Ob und in welchem Ausmaß das möglich ist, hängt sehr stark vom Unternehmen ab. Sicher ist: Karriere- und gehaltsmäßig wird Karenz in keinem Unternehmen honoriert.

Geht es um Arbeit, ist Geld ein Hygienefaktor. Genauso wie der Führungsstil und die Arbeitsbedingungen. Das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Geld in Form des Gehalts ist wichtig, aber eben kein Motivator.

Am Geld entzündete sich vergangene Woche zwischen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) die Diskussion um die Väterkarenz: Ein Drittel des Kinderbetreuungsgelds solle verfallen, hat die Frauenministerin vorgeschlagen, wenn Väter lieber der Erwerbs- statt der Kinderbetreuungsarbeit nachgehen wollen. Ein finanzieller Malus also, der Väter zur Karenz motivieren soll.

Auch wenn sich in den vergangenen Jahren einiges bewegt hat: Es waren im Vorjahr trotzdem nur gut 18 Prozent der Väter, die als Karenzväter Kinderbetreuungsgeld bezogen haben. In absoluten Zahlen sind das 16.047 Väter. Zum Vergleich: In Schweden gehen rund 90 Prozent aller Väter in Karenz.

Das Minimum reicht vielen

Derzeit gibt es in Österreich noch fünf Kinderbetreuungsmodelle, bei denen sich die Eltern die Karenzzeit untereinander aufteilen können: 30+6 Monate, 20+4, 15+3, 12+2 pauschal und 12+2 einkommensabhängig mit maximal 2.000 Euro netto.

Wenn Väter in Karenz gehen, dann meist nur für die Zeit, die gesetzlich für sie reserviert sei, sagt Sonja Blum vom Institut für Familienforschung der Uni Wien: Also sechs Monate bei der längsten Variante. Oder zwei Monate bei der kürzesten. „Doch es wäre ja auch die Aufteilung sieben plus sieben möglich“, sagt sie.

Jenseits der unterschiedlichen Wunschbilder der Politik stellt sich die Frage, warum sich vier von fünf Vätern nicht karenzieren lassen.

Vielfach sind es die immer noch herrschenden traditionellen Rollenbilder. Mit der Geburt des ersten Kindes bekommen viele Väter das Gefühl, die Versorgerrolle übernehmen zu müssen. Mit der Konsequenz: Sie arbeiten oft noch mehr. „Sie wollen zeigen: ,Ich tue ja eh alles‘“, sagt Organisationsentwickler Michael Vogler von Kulturdesign. Aus diesem Reflex aber würden sie zu Hause immer weniger Verantwortung übernehmen. Und sie kappen vor lauter Arbeit nach und nach – ohne sich dessen bewusst zu sein – den Kontakt zur Familie, was oft die Partnerschaft mit der Mutter destabilisiere.

Andere Gründe nennt Florian Holzinger: Die Zuschreibung, man übernehme „Frauenarbeit“ und sei „kein richtiger Mann“. Zudem hätten Väter oft Angst davor, in der Karenz völlig auf sich allein gestellt und vereinsamt zu sein. Und das nicht nur auf dem Spielplatz, wo sich Karenzväter mitunter wie Exoten fühlen.

Mit Helene Schiffbänker und Sybille Reidl von Joanneum Research fand er außerdem heraus: Der Arbeitgeber, die unmittelbare Führungskraft und die Kollegen haben großen Einfluss darauf, ob und wie lang Karenz ungeachtet der gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich möglich ist.

Großteils wird Väterkarenz vonseiten der Unternehmen verbal (und nach Möglichkeit medial) sehr befürwortet und unterstützt. Immerhin lassen sich positive Effekt für das Unternehmen nachweisen. Väterkaren

  • erhöht die Mitarbeiterbindung, die Motivation und Arbeitszufriedenheit und Produktivität,
  • sie macht den Arbeitgeber auf dem Jobmarkt attraktiver, und
  • die Organisation lernt Flexibilität und Umgang mit Veränderung.


Tatsächlich wird Väterkarenz meist nur unter bestimmten, zum Teil sehr restriktiven Bedingungen zugelassen. Diese Bedingungen, so Schiffbänker/Holzinger/Reidl, werden nicht offen artikuliert, sondern subtil über die Unternehmenskultur vermittelt. Auch bei den Vätern klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander: „Väter berichten, dass ihnen nach der Karenz die Zeit mit den Kindern das Wichtigste ist und schaffen es nur mit Mühe, kurz vor dem Zubettgehen der Kinder daheim zu sein.“

Neben den finanziellen Aspekten halten Karrierefragen die Väter von der Karenz ab. Die drei Joanneum-Forscher sagen dazu: „Die Dauer der Karenz ist der relevante Faktor für die Karriereauswirkungen.“ Väter, die sich für eine kurze Karenz entschieden, hätten kaum Probleme bei der Rückkehr. Beim Karenzdesign sind diese Väter allerdings bereit, sich den Bedürfnissen des Unternehmens unterzuordnen – etwa, indem sie die (ruhigeren) Sommermonate wählen.

Eine Feststellung kann sich Holzinger in seinem Forschungsbericht nicht verkneifen: „Eine Karenz wird zwar nicht als Verlust von Qualifikation oder Wertschätzung gesehen. Auf die Idee, dass Männer in der Karenz Kompetenzen erwerben könnten, die karriere- oder gehaltsmäßig honoriert werden, kommt keine Organisation.“

AUF EINEN BLICK

Anspruch und Wirklichkeit. Ob Väterkarenz tatsächlich möglich ist, hängt stark von der Unternehmenskultur und dem Vorbild der Führungskräfte ab. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Einstellung der Kollegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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