Ich bin der neue Boss: Die Herausforderungen am Anfang

Serie – Teil 4: Erfolgreich in die nächste Führungsposition. Niemand kann 15 Dinge gleichzeitig erledigen. Darum gilt es die Herausforderungen zu erkennen und Prioritäten zu setzen.

Drei Punkte sind es, auf die sich Führungskräfte in ihrer neuen Führungsposition zunächst konzentrieren sollten, sagt Siegfried Neubauer, geschäftsführender Gesellschafter der Managementberatung acm quadrat: "Gewinnen Sie Klarheit über die Herausforderungen, priorisieren Sie und klären Sie die Rahmenbedingungen für das Gelingen."

Nicht nur, aber gerade beim Einstieg in einen neuen Job gilt es ressourcenschonend vorzugehen. Niemand kann 15 Dinge gleichzeitig erledigen. "Klären Sie das Assignment", rät Neubauer. Was genau ist der Auftrag und von wem kommt er? Produkt- und Dienstleistungs-Angebot strategisch neu auszurichten, Prozesse, Organisation oder Kosten zu optimieren, den Betrieb verkleinern? Der Auftrag sollte auch deswegen geklärt werden, weil nach dem Motto "neue Besen kehren besser" die Erwartungen besonders hoch sind.

Ein Notizbuch hilft

Wenn das geklärt ist, geht es darum, Schlüsselmitarbeiter zu finden: Weggefährten und Mitstreiter, die mitziehen. Das heißt: Genau beobachten, wer Handschlagqualität hat. Überlegen, ob die richtigen Mitarbeiter an den richtigen Plätzen tätig sind und die richtigen Arbeits(zeit)modelle angewendet werden. Das setzt natürlich etwas Menschenkenntnis voraus – und die ist lernbar. Neubauer empfiehlt, sich Notizen zu machen: "Ich durfte sehr erfolgreiche Führungskräfte kennen lernen, diese schrieben sich ihre Beobachtungen zu den einzelnen Mitarbeitern in ein kleines Notizbuch. So konnten sie über einen längeren Zeitraum ein möglichst klares Bild von einem Menschen bekommen."

Wichtig ist auch, rasch die Sprache der neuen Führungsposition zu erlernen. Das ist besonders bei Unternehmenswechseln relevant: Was verstehen die Mitarbeiter unter einzelnen Begriffen. Nicht überall etwa bedeutet "Portfoliobereinigung" dasselbe. Neben dem "wording" gilt es auch die Meeting- und Entscheidungskultur, formelle und informelle Kommunikationskanäle oder die Einstellung zur Pünktlichkeit kennenzulernen – und danach gegebenen Falls über Änderungen nachzudenken.

Und noch etwas trägt zur Klarheit bei: Zu wissen, welche Interessensgruppen, welche Einflüsterer eine Rolle spielen. Um die Assignments erreichen zu können, rät Neubauer, eher offensiv alle Gruppen zu erschließen, auf sie zuzugehen und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Es ist immer besser, diese Interessen und Positionen zumindest zu kennen.

Interessant oder auch relevant?

Wer die Herausforderungen erkannt hat, steht vor der schwierigen Frage der Priorisierung. "Nicht alles, was interessant ist, ist auch relevant", sagt Neubauer. Wie erfülle ich meine Assignments wirksam und in möglichst kurzer Zeit? Denn schließlich sei nicht alles Wichtige dringend – und umgekehrt. Erfolgreiche Führungskräfte wenden dazu mit der Eisenhower-Matrix ein einfaches und bekanntes Instrument an. Neubauer verweist in diesem Zusammenhang auf Vorsteuergrößen: Wer etwa reorganisieren soll, kann kluger Weise in Change-Schulungen von Schlüsselmitarbeitern investieren. Das sei zwar im ersten Moment eine ressourcenaufwändige Investition, sie mache sich aber letztlich bezahlt, da man Botschafter und Mitstreiter für seinen Auftrag gewinnt.

"Der Neue dreht alles um"

Im dritten Schritt gehe es darum, die Rahmenbedingungen für die priorisierten Aufgaben zu schaffen, sagt Neubauer. Das heißt, die richtigen Personen zu finden, die richtigen Unterstützer inner- und außerhalb des Unternehmens, die richtigen Ressourcen und die richtigen Methoden und Werkzeuge. Dabei empfiehlt es sich zu prüfen, was bereits im Unternehmen etabliert ist und wenn sinnvoll, möglichst viel davon einzusetzen. Denn Aktionismus ist selten hilfreich, sagt Neubauer, "weil sich die neue Führungskraft sonst schnell in einer Schublade wiederfindet: Der Neue kommt und dreht alles um." Hauptherausforderung in diesem Schritt ist es, alles so zu organisieren, dass die Mitarbeiter ihren Job gut machen können – und sie dann arbeiten lassen.

Schlussbotschaft:

Wer Klarheit gewinnen, priorisieren und Rahmenbedingungen schafft, ist mit einer Frage konfrontiert: Wie viele große Aufgaben kann ich in der ersten Phase ernsthaft betreuen und betreiben? Zusätzlich zum operativen Tagesgeschäft sind das wahrscheinlich nur zwei bis drei Aufgaben. Mehr geht nicht. Und mehr verträgt auch die Organisation meist nicht.

Teil 1: Prolog

Teil 2: Die Ehrlichkeit zu sich selbst

Teil 3: Die Attraktivität des Neuen

Teil 4: Die Herausforderung am Anfang

Teil 5: Virtuoser Einsatz von Werkzeugen

Teil 6: Wirksame Verhaltensprinzipien

Teil 7: Epilog

Siegfried Neubauer, geschäftsführender Gesellschafter acm quadrat gmbh, ist systemischer Organisationsentwickler und hat langjährige Erfahrung in der Managementausbildung und Beratung sowie als Hochschuldozent. Er war lange für das Malik Management Zentrum St. Gallen tätig und hat profundes Wissen über Strategieentwicklung, Organisationsentwicklung und Führungskräfteausbildung.

Neubauer ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher, darunter "Erfolgreich in die nächste Führungsposition".

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