High-Heels oder graue Maus

Kolumne "Hirt on Management", Folge 4. Wie setze ich mich als Frau in einer sexistischen Arbeitsumgebung durch?

In unserer Rubrik "Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementberater, Executive Coach und Keynote Speaker, alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Frage: Ich bin Diplom-Ingenieur, seit kurzem Abteilungsleiterin und die einzige weibliche Führungskraft in einem ausschliesslich mit Männern (außer in den Sekretariaten) besetzten Unternehmen. In einer kritischen und durchaus kontroversiellen Projektbesprechung mit einigen meiner Kollegen, die ich zu leiten hatte, hat ein altgedienter „Haudegen“ in einer Pause, seinen „Kumpels“ einen sexistischen Witz erzählt, den ich überhört habe. Wie soll ich damit umgehen? Darauf reagieren? Ignorieren?

Michael Hirt antwortet: „Wehret den Anfängen“, kann ich hier nur empfehlen. Vollkommen falsch wäre es, über dieses Verhalten „vornehm“ hinwegzusehen. Denn das wird sofort als Schwäche und letztendlich Ermutigung zur weiteren Eskalation interpretiert.

Es ist so wie in einer Schulklasse. In der ersten Stunde tuscheln ein paar Schüler im Hintergrund. Der Lehrer blickt darüber hinweg, um „nett“ und „lässig“ zu sein. In der zweiten Stunde hat die kleine „Tuschelgruppe“ schon ein paar Mitläufer gefunden. Jetzt geht schon ein Raunen während des Unterrichts durch die Klasse. In den hinteren Bänken wird mit Papierkugeln Pingpong gespielt. Wieder macht der Lehrer nichts. In der dritten Stunde eskaliert das Ganze weiter und nur noch die größten Streber und Angsthasen haben sich den Krachmachern noch nicht angeschlossen. In der vierten Stunde fliegt die Aktentasche des Lehrers aus dem Fenster.

Jetzt ist die Situation außer Kontrolle. Der Lehrer hat nur noch zwei Wege, um sie wieder in den Griff zu bekommen. Entweder er greift zu drakonischen Maßnahmen. Die meisten davon sind aber seit Jahrzehnten verboten. Oder sie untergraben seine Autorität weiter, wie zum Beispiel Herumschreien, weil das als Zeichen von Kontrollverlust und Schwäche interpretiert wird. Oder der Lehrer holt die Schuldirektorin, damit sie ihm hilft, die Klasse wieder unter Kontrolle zu bringen.

Daraus entstehen aber zwei weitere Probleme, nämlich erstens, dass die Schuldirektorin auch wieder mal in ihr eigenes Büro zurück muss und dann das Chaos wieder ausbricht und zweitens, dass der Lehrer jetzt langsam beginnt, seiner Vorgesetzten auf die Nerven zu gehen, weil er sie Zeit kostet und seine eigenen Probleme nicht auf die Reihe bringt. Sie sehen schon, wo das hinführt.

Es bleibt Ihnen also nichts anderes übrig, als das Problem hier und jetzt anzusprechen.

Sie stellen sich also einen Schritt näher zur lachenden Gruppe, schauen ganz ruhig in die Richtung des Haudegens und Fragen mit neutraler Stimme: „Entschuldigung, aber ich hab die Pointe nicht genau verstanden. Was wollen Sie damit über Frauen aussagen?“

Typischerweise wird der Mann dann etwas ins Stottern geraten und den Rückzug antreten und irgendwas wie „Das war ja nur ein Scherz, das war nicht bös gemeint…“ sagen. Dann sagen Sie dazu staubtrocken: „Wenn wir hier gut zusammenarbeiten wollen, dann möchte ich Sie bitten, solche Scherze zu unterlassen.“ Sie fügen dem nichts mehr hinzu, bleiben noch kurz bei der Gruppe stehen, kehren dann zu ihren Platz und zur Tagesordnung zurück und leiten die Sitzung in Ruhe und sachorientiert weiter.

Den kumpelhaften Lehrern, die für alles Verständnis haben, immer „lieb“ sind und sich bei den Schülern anbiedern, wird letztendlich auf der Nase herumgetanzt. Die Lehrer, die fachlich etwas drauf haben und mit Wertschätzung, aber auch Konsequenz und Disziplin ihre Klasse leiten, haben den Respekt der Schüler und bringen etwas weiter.

Es gibt in der Praxis keinen Ersatz für eigene Autorität und Durchsetzungskraft. Führung ist kein Beliebtheitswettbewerb. Männer scheinen damit tendenziell etwas weniger Probleme zu haben, manche Frauen scheinen aber, möglicherweise aufgrund ihrer anderen Sozialisierung, ein höheres Harmoniebedürfnis und ein höheres Bedürfnis, von anderen positiv gesehen zu werden, zu haben.

Nur um sicher zu gehen, Führung ist auch kein Unbeliebtheitswettbewerb. Aber Sie werden dafür bezahlt, Ergebnisse zu erzielen. Dysfunktionale, unethische und illegale Verhalten anderer haben Sie dabei nicht zu akzeptieren, sondern im Sinne der Zielerreichung abzustellen.

Also egal ob High-Heels oder graue Maus, bleiben Sie konsequent und lassen Sie den Typen nichts durchgehen. Dann werden Sie Respekt bekommen und sich, fachliche Kompetenz vorausgesetzt, durchsetzen.

Sollten Sie sich trotz konsequentem Umgang mit mehr oder weniger subtilem Sexismus in Ihrem Unternehmen nicht durchsetzen können, dann hauen Sie einfach den Hut drauf und suchen Sie sich eine Umgebung, die nicht so dumm ist, auf 50 Prozent des kreativen Potenzials dieses Planeten zu verzichten.

Das Wichtigste in Kürze

Reagieren Sie auf sexistische Witze oder Anspielungen sofort, auf den Punkt und konsequent, sonst wird das als Schwäche und Ermutigung zur weiteren Eskalation interpretiert und kostet Sie letztendlich den Kopf.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 15. Oktober zur Frage: Bullshit or not. Tablets für Manager?

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen:

Meine Chefs spinnen

Mein Kollege demontiert mich

Mein bester Mitarbeiter ist demotiviert

Dr. Michael Hirt, geboren 1965 in Wien, ist Managementexperte, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu schnellen Leistungs- und Ergebnissteigerungen mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, Kanada (McGill) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit als Managementberater, Executive Coach und Keynote Speaker tätig.

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