Ständig erreichbar – auch im Urlaub?

Pausenkultur I. Die einen suchen Urlaubsdestinationen, an denen sie unerreichbar und ungestört bleiben. Die anderen verreisen im Urlaub, um zu arbeiten – wo es noch schöner ist.

Wie verbringt man den Urlaub am besten? Gar keine einfache Frage. Die einen wollen Handy und Gedanken abschalten und schaffen das nicht aus eigener Kraft: Sie entscheiden sich für einen Offline-Urlaub. Fahren dorthin, wo es keinen Empfang gibt. Ganz Radikale geben ihr Handy gar beim Empfang ab. Und die anderen wollen zwar auf Tapetenwechsel nicht verzichten, aber dennoch keine Arbeitspause einlegen und fahren zum Arbeiten in den Urlaub.

Was generell dahintersteckt: Vielen Unternehmen und vielen Mitarbeitern – nicht nur in Österreich – fehlt eine gepflegte Pausenkultur. Und letztlich ist auch der Urlaub nichts anderes als eine verlängerte Pause.

Zwangsentwöhnung als Trend

„Eine Gegend in Österreich zu finden, die leicht erreichbar ist und in der man keinen Handyempfang hat, ist ganz schön schwer“, sagt Gregor Wagner, Pressesprecher des Forums Mobilkommunikation. Das hat einen guten Grund: Telekommunikationsanbieter arbeiten seit Jahren an einer flächendeckenden Netzabdeckung. Handyfreier Urlaub sei zwar grundsätzlich keine schlechte Idee, meint Wagner, „es sollte aber auch reichen, das Handy einfach abzuschalten“.
Da dieses Abschalten manchen sehr schwerfällt, hat sich in den vergangenen Jahren ein regelrechtes Geschäftsmodell im Tourismus entwickelt: Die Zwangsentwöhnung wurde sozusagen zum Urlaubstrend.

Klingelfrei auf der Alm

Auf einigen Almhütten von Almliesl gibt es überhaupt keinen Mobiltelefon-Empfang, etwa auf der Sonntagalm in Neukirchen im Salzburger Pinzgau. „Zuerst haben wir es als Mangel betrachtet, dann haben wir bemerkt, dass es Leute gibt, die genau danach suchen“, erzählt Alice Rosenmayr, die für die Kundenbetreuung der Almliesl-Hütten zuständig ist. Empfang gebe es auf der Sonntagalm nur auf einem 50 Meter entfernten Felsen. Wenn man dort in der richtigen Position stehe, könne man telefonieren. „Man muss es richtig verkaufen. Wenn ich sage, leider kein Empfang auf der Hütte, dann ist es ein Manko. Wenn ich es aber als ungestörten Urlaub zu zweit beschreibe, ist es etwas Besonderes.“ Von ihren Kunden werde das Funkloch sehr positiv aufgenommen, nur Teenager fänden es nicht so gut, erzählt Rosenmayr.

Generell erlebe der Almurlaub – im Winter wie im Sommer – regen Zustrom, denn „man kann so dem ganzen Wahnsinn entfliehen und wird nicht ständig in die Realität zurückgeholt“. So wie Urlaub früher war: Man ist einfach weg, und keiner könne einen erreichen.

Immer mehr Tourismusangebote springen auf den Offline-Zug auf. Der Steiermark-Tourismus bewirbt den Offline-Urlaub sogar als eigene Kategorie. Mehrere Hotels bieten auch digitale Entgiftung als Wellness-Schmankerl an oder garantieren eine Reduktion des elektromagnetischen Smogs für gestresste Manager in ihrem Ressort. Vermehrt bitten Hotels ihre Gäste, Handy und Laptop beim Empfang abzugeben.

Surfen, arbeiten, surfen

Wer sich von der Arbeit nicht befreien will oder kann, ist in Coworking-Holidays gut aufgehoben. Das Konzept dahinter: Alleinreisende besuchen eine wunderschöne Destination und arbeiten dort in der Gesellschaft von Gleichgesinnten. Schließlich ist es ja beinahe egal, ob der Hub, in dem gearbeitet wird, in Wien oder irgendwo am Strand steht.

Mit Slogans wie „Kombiniere Arbeit und Vergnügen“ wirbt beispielsweise die spanische Agentur coworkingholidays.com. Sie bietet Surfurlaub samt der gesamten Infrastruktur zum Arbeiten: Internet, Telefon und ruhige Plätze – abgesehen vom Rauschen des Meeres. Zwischen dem Arbeiten wird gesurft – oder umgekehrt. „Wir stellen Entrepreneuren einen Platz zur Verfügung, an dem sie sich auf die Arbeit konzentrieren und neu inspirieren und gleichzeitig urlauben können“, sagt Nick Martin, Community-Manager, des Coworking-Holidays-Anbieters Livit Spaces in Indonesien.

Surfen in Spanien, tauchen auf Bali und nebenbei ein neues Produkt entwickeln? Wer viel arbeiten muss und keine Pause einlegen kann, macht das zumindest an einem schönen Ort. Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen, klingt verlockend, aber die eigene Ruhepause bleibt auf der Strecke.

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