Selber denken erlaubt

Die meisten Mitarbeiter würden gern mehr arbeiten, werden aber davon abgehalten. Ein Grund dafür sind Management-Rituale,die sich über Jahre eingeschlichen haben.

WIEN. In den meisten Unternehmen wird viel zu wenig gearbeitet. Egal, ob Mitarbeiter oder Führungskraft: Alle müssen mehr arbeiten, wenn der Arbeitsplatz auf Dauer bestehen bleiben und das Unternehmen florieren soll. Und zwar deutlich mehr arbeiten. Davon ist Lars Vollmer, Autor des Buchs „Zurück an die Arbeit“ (Linde; 24,90 €) überzeugt. Und meint damit: Arbeit muss wieder Freude machen. Sie muss Sinn ergeben und sich dauerhaft lohnen. Kurzum: Alle müssen wieder mehr arbeiten dürfen.

„Es gibt eine große Anzahl von Managementpraktiken und Ritualen, die die Menschen systematisch von der Arbeit abhalten“, sagt Vollmer. „Business-Theater“ nennt er das, das allerdings weder Wertschöpfung noch einen Nutzen für den Kunden bringt. „Wir müssen wieder die Chance geben, mehr zu arbeiten – allerdings nicht im Sinne von mehr Zeit investieren – und weniger Theater zu spielen. Das erzeugt nur Frust.“

Unter Business-Theater fallen für Vollmer beispielsweise fast alle Formen von Meetings. „Der Chef muss die Begrüßung halten, der Kritiker muss mahnen, jeder muss gehört werden und manche brauchen nur zuzustimmen. Der Klassiker, den jeder kennt.“ Aber auch Arbeitszeiterfassung, Reporting und Mitarbeitergespräche gehören dazu. Letzteres finden Chef und Mitarbeiter gleichermaßen lästig und unersprießlich, aber es gehört nun einmal zum (selbst gewählten) Pflichtprogramm. „All das verbessert die Wertschöpfung nicht, sondern dient nur dazu, das Machtgefüge in den Unternehmen zu stabilisieren.“

Weniger ist mehr

Doch Vorsicht: Diese Dinge einfach abzuschaffen, ist keine Lösung. Aber man kann beispielsweise Strukturen schaffen, um weniger Meetings abzuhalten. „Unternehmen sind zu einem viel zu großen Teil auf formalen Strukturen aufgebaut. Das halte ich für eine große Gefahr. Wer stark auf formelle Strukturen pocht, macht besonders viel Theater – und zwischendurch wird die Arbeit erledigt.“

Ein Weg aus dem Dilemma kann sein, die Organisations-Blaupause in der Schublade verschwinden zu lassen und sich klarzumachen: Es gibt nicht die eine richtige Organisationsform. Die Frage muss vielmehr lauten: Wie organisiere ich zu diesem Zeitpunkt, mit meinen Leuten, in diesem Marktumfeld mein Unternehmen? „Wenn ich mir diese Frage stelle, brauche ich nicht in das Best-Practice-Buch von anderen Unternehmen zu schauen. Diese Rezeptgläubigkeit ist nur eine Form von Denkfaulheit. Unternehmen dürfen selbst denken – und müssen das auch tun.“

Was man sich sehr wohl von anderen abschauen kann, sind jene Dinge, die nicht mehr getan werden. „Diese Unternehmen haben keine individuellen Leistungsanreize, wo Menschen mit Leckerli angefüttert werden. Sie brauchen auch keine Urlaubsgenehmigungen, verzichten auf Berichtswesen und teilweise auf eine Personalabteilung.“ Aber auch hier gilt: Genau schauen, was passt. Das sind im Gartenbauunternehmen andere Dinge als in einem Verlag. Für beide gilt: Welche Hürden muss ich abbauen, die Mitarbeiter davon abhalten, das zu tun, was sie lieben? „Die Leute regt nicht die Arbeit auf, sondern das Drumherum. Die Generation Y ist noch weniger bereit, dieses Drumherum zu akzeptieren.“ Eine solche Kultur schafft man laut Vollmer nicht aktiv, vielmehr ist sie eine Folge von Geschehnissen.

(WB)

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