Das Ohr am rechten Fleck haben

Porträt. Hansaton-Chef Oliver Lux über Digitalisierung im Ohr, Mitarbeiter, die viel Erfahrung in den Job mitbringen, und warum Menschen im Zweifel lieber eine Brille als ein Hörgerät tragen.

Gemeinsam die richtige Lösung finden, begleiten und gut zuhören können. Das ist Oliver Lux wichtig, wenn er als Hansaton-Österreich-Chef guten Führungsstil beschreibt.
Doch das mit dem Gut-zuhören-Können ist für Führungskräfte oft nicht so einfach. Nicht (nur), weil sie nicht wollen. Sondern weil sie es nicht können. Sie hören einfach schlecht. Fünf bis sechs Jahre dauert es, bis Schwerhörige sich überwinden, einen Akustiker aufzusuchen. Während es ganz normal ist, eine Brille zu tragen (mit der man im Idealfall noch intelligenter als ohne aussieht), scheuen sich viele Menschen aus Angst vor Stigmatisierung, ein Hörgerät zu tragen. Dabei, sagt Lux, seien die Geräte nicht auffälliger als der Stöpsel im Ohr eines Fernsehjournalisten bei einer Liveübertragung. Klar und nachvollziehbar sei, „die Betroffenen wünschen sich möglichst kleine und unauffällige Geräte“, sagt der 39-jährige Tiroler.

Selbstlernende Hörgeräte

Miniaturisierung von Chip und Batterie sind da genauso gefragt wie die Digitalisierung in der Entwicklung, in der Anpassung der Hörgeräte und im Kundenservice. Wenn es darum geht, in der Materialforschung Fortschritte zu machen oder den Chip in Sachen Aufnahme- und Wiedergabequalität zu verbessern. Ebenso in der Produktion: Die individuell angepassten Ohrstücke werden mittels 3-D-Druck gefertigt. Und in den USA und Großbritannien, sagt Lux, laufe gerade ein Pilotprojekt, auch Serviceschritte zu digitalisieren: Die Erstanpassung erledigt ein Akustiker. Doch für alle späteren Schritte muss der Kunde nicht mehr ins Geschäft kommen. Digital lasse sich auslesen, wann, wie oft und in welchem Modus das selbstlernende Hörgeräte getragen werde. Das sei auch für die Kunden praktisch. Etwa für Menschen, die nicht mehr so mobil sind, oder solche, die unterwegs oder auf Urlaub sind und keine Filiale in der Nähe haben. Zudem seien Kunden nicht mehr an Shop-Öffnungszeiten gebunden. Wie gesagt, das ist ein Pilotprojekt, und eben nicht in Österreich.
Dass Lux Erfahrung im Business Development mitbringt, zeigt sich nicht nur in seiner Technologiebegeisterung, sondern auch in seinem Menschenbild. Ihm ist wichtig, dass seine Mitarbeiter aus Käufern Kunden machen, also „regelmäßige Käufer“. Deshalb gibt es auch kein Callcenter, sondern ein „Customer Care Center“, das den Kundendienst übernimmt.

Hörminderung: Wie bitte?

Noch ein Schlagwort verwendet Lux in diesem Zusammenhang: „Customer Lifetime Value“, also der (Mehr-)Wert, der für die Kunden geschaffen werden soll. Im Vergleich zu den auf dem österreichischen Markt noch stärker vertretenen Unternehmen Neuroth und Hartlauer. Schließlich hätten die Kunden hohe explizite und implizite Erwartungen. Lux erwartet daher von seinen rund 280 Mitarbeitern – rund drei Viertel sind Frauen – Empathie, Begeisterung für Technologie und kaufmännisches Talent. Fachkenntnis wird vorausgesetzt. Genau das sei ein kritischer Punkt: Denn die Nachfrage nach Akustikern steige – allein demografiebedingt. In Summe schätzt man die Zahl der Personen mit Hörminderung in Österreich auf bis zu eine Million.
100 Akustiker absolvieren pro Jahr ihre Ausbildung, das reiche aber nur aus, um den Status quo zu halten, sagt Lux. Daher blickt er auf der Suche nach Personal auch ins Ausland. Und er baut auf Menschen mit (Lebens-)Erfahrung und bildet viele im zweiten Bildungsweg zu Akustikern aus. Rund 40 Prozent sind älter als 45 Jahre.
Sie sollen tun, was auch gute Führungskräfte leisten: Gemeinsam die richtige Lösung finden, begleiten und gut zuhören. Anders gesagt: Sie sollen Herz und Ohr am rechten Fleck haben.

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